Langer Weg zum Gipfel: Yvonne Farrell und Shelley McNamara erhalten den Pritzker-Preis

Elias Baumgarten
10. de març 2020
Der UTEC-Campus führt beispielhaft vor, was die Architektur von Yvonne Farrell und Shelley McNamara so herausragend macht. (Foto: Iwan Baan)

Dublin, 1978: Die jungen Architektinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara gründen ein gemeinsames Büro. Der Name, den sie ihm geben: Grafton Architects – nach der Strasse, in der es sich befindet; Zurückhaltung, Teamgeist und Kollegialität statt dem Geniekult eines Autorenbüros – Dekaden bevor sich diese Haltung durchsetzen sollte. Das ist nun über 40 Jahre her. 40 Jahre, in denen sich die beiden Architektinnen kontinuierlich ins Rampenlicht gearbeitet haben. 2008 erhielten sie die Auszeichnung World Building of the Year für ihre Gestaltung der Università Luigi Bocconi in Mailand. 2012 folgte der Silberne Löwe der Architekturbiennale von Venedig für ihre Schau «New Geography». Im Folgejahr wiederum wurde ihre Limerick Medical School auf die Shortlist des renommierten Stirling-Preises gesetzt. 2018 kuratierten Farrell und McNamara die 16. Architekturbiennale und gaben ihr das Motto «Freespace» – ein erster ganz grosser Höhepunkt ihrer Karriere. Kürzlich wurden sie ausserdem mit der Royal Gold Medal des Royal Institute of British Architects (RIBA) ausgezeichnet. Und nun also erhalten die beiden den Pritzker-Preis, die wichtigste Auszeichnung für Architekt*innen überhaupt. Es ist dies der Lohn für mehr als vier Dekaden unermüdlicher Arbeit und zahlreiche grossartige Bauten sowie die Würdigung einer beeindruckenden sozialen und architektonischen Haltung.

Foto: Iwan Baan
«Jedes Gebäude hat Einfluss auf uns. Architektur geschieht nicht im Vakuum. Sie wird beauftragt. Mit jedem Projekt haben Kunden und Architekten die Möglichkeit, etwas zu schaffen, was ein Geschenk für die Gesellschaft sein kann.»

Yvonne Farrell im Interview mit dem deutschen Magazin Spiegel, 2018

Der UTEC-Campus in Lima: Gebaute Haltung

Yvonne Farrell und Shelley McNamara sind insbesondere für zahlreiche Bildungsbauten bekannt – die erwähnte Università Luigi Bocconi zum Beispiel, die Limerick Medical School oder die Wirtschaftsuniversität von Toulouse, um nur wenige zu nennen. Doch was macht ihre Architektur aus? 

Gut aufzeigen lässt sich das am UTEC-Campus in Lima. Unterrichtsräume, Hörsäle, Labors, Büros und die Mensa sind geradezu spielerisch gestapelt. Es gibt grosszügige Interaktionsflächen, aber auch Rückzugsmöglichkeiten – typisch für die Bauten von Grafton Architects. Die Hochschule, an der nicht nur Naturwissenschaften unterrichtet werden, verfügt auch über Ausstellungsflächen und sogar ein Theater. Diese sind im Erdgeschoss angeordnet – in der Hoffnung, die Bevölkerung so ins Gebäude locken zu können. Der UTEC-Campus ist ein griffiges Beispiel für die Haltung der beiden Architektinnen. Sie machen sich immer wieder stark für eine Architektur, die Möglichkeiten zum Austausch bietet, die Aneignung stimuliert und das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit fein austariert; eine, die in Bewegung setzen will und die auf ästhetischer Ebene angenehm vertraut wirkt, doch neuartig ist. Mit seiner aufgebrochenen Struktur erinnert der Hochschulbau nicht nur an Gestaltungen aus der Ära des Brutalismus, sondern interagiert auch mit der schroffen Steilküste, die Lima vom Pazifik trennt. Auch dieser Umgang mit dem Ort ist laut der Jury einer der vielen Gründe, warum der Pritzker-Preis 2020 an Farrell und McNamara geht.

Das Projekt war Teil des erwähnten Biennale-Beitrags «New Geography», der dem Duo in Venedig den Silbernen Löwen einbrachte. Damals zeigten die Architektinnen grosse Studienmodell und versuchten so einen Dialog mit der Architektur der brasilianischen Ikone Paulo Mendes da Rocha aufzubauen.

Foto: Iwan Baan
Foto: Iwan Baan
Verdiente Auszeichnung als hoffnungsvolles Signal

Mit dem Pritzker-Preis sind Farrell und McNamara endgültig im Architektur-Olymp angekommen. Sie reihen sich ein zwischen Grössen wie Zaha Hadid, Peter Zumthor, Frei Otto, Hans Hollein oder Toyo Ito. Der Preis geht in diesem Jahr erstmals an ein Frauenteam. Das Thema «Frauen in der Architektur» führt die Hyatt-Stiftung, die den Pritzker-Preis vergibt, in ihrem Kommuniqué jedoch nicht weiter aus. Das ist gut so, denn die beiden Irinnen bekommen den «Nobelpreis für Architektur» hochverdient für ihre herausragenden architektonischen Leistungen. Leider geht dies in der Berichterstattung bisher fast etwas vergessen, erfolgt ihre Ehrung doch bald drei Jahrzehnte nachdem Denise Scott Brown 1991 der Preis vorenthalten wurde, was bis heute für Missstimmung und Kritik sorgt, und sind es nach Zaha Hadid (2004), Kazuyo Sejima (2010) und Carme Pigem (2017) überhaupt erst die Auszeichnungen vier und fünf für Architektinnen. Dennoch: Die Vergabe sendet ein hoffnungsvolles Signal aus: Hochstehende Beiträge von Frauen zur Architekturproduktion werden gesehen und endlich auch gewürdigt. Wie es scheint, kann auch die Hyatt-Stiftung dazulernen. Hoffen wir, dass die Entwicklung nachhaltig ist.

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