An der Thur

schoch-tavli architekten
10. März 2022
Foto: schoch-tavli architekten
Herr Schoch, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Der neue Doppelkindergarten mit der Anlage der Primarschule Schönenberg-Kradolf liegt in einer Naherholungszone entlang der Thur. Im Wettbewerb umfasste der mögliche Bebauungsperimeter die gesamte Länge der weiten Wiesenfläche vor dem Schulhaus. Diese unbeschattete Fläche nun beleben zu können, war reizvoll und gleichzeitig fordernd. Einzig die Bestimmungen zum Schutz vor dem dreihundertjährigen Hochwasser der Thur begrenzten den südwestlichen Perimeter.

 

Spazierweg entlang der Thur (Foto: schoch-tavli architekten)
Westfassade (Foto: schoch-tavli architekten)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Angrenzend an die weite Wiesenfläche verläuft ein öffentlicher Spazierweg entlang der vorbeifliessenden Thur. Auf Bänklis können Verweilende die faszinierende und sich immerzu verändernde Flusslandschaft beobachten. Diese Qualität inspirierte uns zum Entwurf eines der Landschaft zugewandten Kindergartens.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der überdeckte Eingangsbereich auf der Stirnseite bildet mit den bestehenden Schulgebäuden und dem roten Pausenplatz das verbindende Element zur Schulanlage. Die östliche periphere Situation mit dem Baumbestand entlang des Dorfbachs und der Thur ist prägend für den Aussenraum des neuen Kindergartens. Zusammen mit dem baulichen Bestand wird durch die periphere Setzung des klobigen Holzvolumens mit dem ausladenden Vordach ein neuer, stimmiger Ort gefasst. Westlich bildet die Längsfassade den Abschluss zum Wiesenplatz. Die gesamte Umgebung bietet einen natürlichen Abenteuerspielplatz mit vielfältigen Spielmöglichkeiten für die Kinder.

 

Klassenraum im Obergeschoss (Foto: schoch-tavli architekten)
Vorzone des Kindergartens (Foto: schoch-tavli architekten)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Der Kindergarten ist basisstufentauglich. Verspielte und verschachtelte Raumsysteme sind aufgrund der damit verbundenen Vorgaben nicht möglich. Die direkten Raumbezüge, die wir entworfen haben, schaffen eine räumliche Klarheit und Übersichtlichkeit für die Kinder. Mit Modulen lassen sich Möbellandschaften und Nutzungseinheiten zonieren. Damit bleibt die Architektur für die gewünschten zukünftigen Nutzungsbedürfnisse flexibel. 

 

Treppenaufgang (Foto: schoch-tavli architekten)
Material und Raum (Foto: schoch-tavli architekten)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Im Entwurf suchen wir oft nach dem Vorhandenen. In Kradolf war es die Qualität des Ortes, der Natur. Mit seiner Setzung schafft es der Kindergarten, die bestehenden ortsbaulichen Qualitäten geschickt zu verbinden. Durch eine einfache Spiegelung der Grundrisse entwickeln sich innenräumlich zwischen den beiden Geschossen unterschiedliche Aussenraumbezüge. Gleichzeitig haben wir auch diesen Kindergarten als Generalisten entworfen und ausgeführt. Unserem Architekturbüro ist es weiterhin wichtig, Aufgaben in dieser Grössenordnung selber bauen zu können.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Der zweigeschossige Kindergarten wurde als reiner Holzbau erstellt und ist als Schulbau sicherlich beeinflusst von der nachhaltigen Bauweise. Das Thema Holz entspringt jedoch auch der Metapher eines Holzstücks am Flussufer. Ausserdem erreichen wir durch die Verwendung von Holz die bei einem Gebäude für Kinder besonders wünschenswerten haptischen Qualitäten in den Innenräumen. Zusammen mit den Holzwolleplatten und dem farbigen Naturkautschuk entwickelt sich eine robuste räumliche Sinnlichkeit für die Kinder. Hinsichtlich der gestalterischen Tendenzen suchen wir die Eigenständigkeit.

 

Eingangsbereich (Foto: schoch-tavli architekten)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Holzbauten wie dieser verlangen stets, dass der Planer, das ausführende Unternehmen und die Architekten eng und parallel zusammenarbeiten. Die Abläufe sind weniger sequenziell als bei anderen Bauweisen. Diese Schnittstelle im Zeitalter von BIM zu finden, ist bei jedem Projekt von neuem eine Herausforderung. Für uns Architekten ergeben sich dabei mehrere wichtige Fragen: Wie viel geben wir aus der Hand? Wo gibt es effizientere Abläufe, wie können wir trotzdem Einfluss nehmen? Und wo sollten wir loslassen? In Kradolf ist es allen Beteiligten gemeinsam gelungen, diese Herausforderung zu meistern.

 

Situation
Grundrisse in Leserichtung: Obergeschoss und Erdgeschoss
Längsschnitt
Bauwerk
Doppelkindergarten Kradolf
 
Standort
9214 Kradolf
 
Nutzung
Kindergarten
 
Auftragsart
Wettbewerb
 
Bauherrschaft
VSG Region Sulgen, Sulgen
 
Architektur
schoch-tavli architekten, Frauenfeld, 
Aret Tavli, Celso Ramos und Florian Schoch
 
Fachplaner
Holzbau und Brandschutz: B3 Kolb AG, Romanshorn
Bauingenieur: Ingenieurbüro A. Keller AG, Weinfelden
HLS-Planung: Eisenbart und Partner AG, Münchwilen
Elektroplanung: elekro-werk gmbh, Amriswil
Akustik und Bauphysik: studer + strauss ag, St.Gallen
 
Bauleitung
schoch-tavli architekten: Aret Tavli
 
Jahr der Fertigstellung
2021
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 2,3 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 2,1 Mio.
 
Energiestandard 
Minergie
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister: Messmer AG, Sulgen
Bedachungen: Schönenberger & Rieser AG, Sulgen
Holzbau: Kaufmann Oberholzer AG, Schönenberg
Fenster: Fenster Keller AG, Bütschwil
Elektro: Elektro Etter + Livet AG, Sulgen
Heizung und Lüftung: Albin Gisler AG, Amriswil
Sanitär: Munz AG, Schönenberg
Innentüren: Schreinerei R. Ritzi, Kradolf
Umgebung: Naturgärten Neubauer, Erlen
 
Fotos
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