Eine Stadtvilla für Kinder

maeder | stooss architekten
16. Mai 2024
Foto: Damian Poffet
Herr Stooss, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die 1902 vom Architekten Paul Lindt erstellte Zwillings-Stadtvilla hätte in den 1980er-Jahren laut der damals gültigen Überbauungsordnung für das Gebiet abgerissen werden sollen. Doch dann erwarb die Stadt Bern das Haus, und es wurde ins Bauinventar aufgenommen. Schliesslich konnte das lange vernachlässigte Gebäude wieder instand gesetzt werden.

Der neubarocke Villenbau an der Zieglerstrasse 7 war weitgehend in seiner bauzeitlichen Struktur erhalten, wies jedoch hinsichtlich der Gebäudetechnik und der Gebäudehülle starken Sanierungsbedarf auf. Die vorgesehene neue Nutzung als Kindergarten erschien schlüssig, da das Gebäude so in seiner räumlichen Einheit erhalten werden konnte. Die Herausforderung lag aber im Detail: Brandschutz- und Sicherheitsauflagen sowie der zu erwartende hohe Nutzungsdruck erforderten grosse Aufmerksamkeit.

Die Herausforderung bestand für maeder | stooss architekten darin, den wertvollen Bestand zu erhalten und gleichzeitig robuste, aktuellen Auflagen entsprechende Räume zu gestalten. (Foto: Damian Poffet)
In der Garderobe zeigt sich beispielhaft der virtuose Umgang mit Farben, dem der Umbau seine Kraft verdankt. (Foto: Damian Poffet)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Unser Ziel war es, das Gebäude in seiner bauzeitlichen Raumstimmung und Ausstrahlung wieder erlebbar zu machen. Ein besonderes Augenmerk legten wir auf die Farbgestaltung. Die ursprüngliche (Viel)Farbigkeit wurde untersucht und bildete die Grundlage für die neue Gestaltung. Im Treppenhaus nimmt eine neue Schablonenmalerei aus bauzeitlichen Vorlagen die floralen Motive der Jugendstil-Glasmalerei wieder auf. Die von uns ergänzten Elemente beziehen sich gestalterisch auf das Vorhandene und integrieren sich in den Bestand. Alte Pläne und Fotografien dienten uns als Grundlage, um die Purifizierungen an Dach, Fassade und Gartenanlage rekonstruieren zu können.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft, der Fonds für Boden und Wohnbaupolitik der Stadt Bern, legte Wert darauf, das historische Gebäude denkmalpflegerisch adäquat zu sanieren. Dafür war sie auch bereit, eine bauhistorische Analyse und stratigrafische Untersuchungen erstellen zu lassen.

Weiter erwies es sich als glückliche Fügung, dass für die ganze Villa eine neue Nutzung gefunden werden konnte: Sputnik Bern, die benachbarte Tagesstruktur für Kinder, erhielt in dem Baudenkmal den dringend benötigten Platz für zwei Klassen des Ganztageskindergartens.

Die bauzeitlichen Treppengeländer wurden ertüchtigt. (Foto: Damian Poffet)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Nein, der Prozess war eher von einer Feinjustierung, Weiterentwicklung und Präzisierung während der Bauphase geprägt: Wir entdeckten beim Umbau unerwartete Konstruktionsaufbauten und fanden erodierte, zunächst nicht sichtbare Unterkonstruktionen. Genau wie gewisse Detailausgestaltungen erforderte dies mitunter spontane planerische und gestalterische Reaktionen.

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Wir bauen schon seit unserer Bürogründung Gebäude aus verschiedenen Epochen für unterschiedlichste Nutzungen um. Uns interessiert das Bauen im Bestand – ob alte Häuser geschützt sind oder nicht, spielt dabei für uns eine untergeordnete Rolle. Wir suchen die Regeln, versuchen das Wesen des Bauwerks, das sich ja selber nur bedingt zur Wehr setzen kann, zu verteidigen. Zusammen mit dem Herrenstock in der Campagne Schönberg ist die Stadtvilla an der Zieglerstrasse das zweite Gebäude in diesem Massstab, welches wir für die Stadt Bern bearbeiten durften.

Die Gestaltung neu hinzugefügter Elemente wurde aus dem Bestand entwickelt. Vorhandenes und Neues bilden ein harmonisches Ganzes. (Foto: Damian Poffet)
Im Mansardengeschoss (Foto: Damian Poffet)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Der Fokus der energetischen Sanierung lag im Dachbereich; dort waren Massnahmen zur Verbesserung des Wärmeschutzes denkmalpflegerisch am einfachsten zu realisieren, da auch die exponierten Fenster der Lukarnen aufgrund des starken Verwitterungsgrades ersetzt werden mussten. Zudem haben wir die mit Vorfenstern ausgestatteten Fassadenfenster mit optimierten Glasaufbauten ertüchtigt. Wir legten Wert darauf, dieses über 120-jährige Haus bauphysikalisch nicht komplett umzudeuten.

Gestalterisch versuchen wir nicht kontrastierend hinzuzufügen, sondern das Neue aus dem Bestand abzuleiten und in ein stimmiges Ganzes zu integrieren. Wir vermuten, dass dies durchaus einer aktuellen Tendenz entspricht.

Bei der Verbesserung des Wärmeschutzes konzentrierten sich die Architekten neben den Fenstern vor allem auf das Dach. Denn dort liessen sich wirksame Massnahmen am leichtesten mit der Denkmalpflege vereinbaren. (Foto: Damian Poffet)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Reparaturen und Ergänzungen an bauzeitlichen Materialien wie den Terrazzobelägen oder den geschmiedeten Eisen sowie die Rekonstruktion glasierter Ziegel waren äusserst spannend und auch für uns lehrreich. Aber schlussendlich ist es die Farbe, die vielfältig angewendet das Besondere des Projekts ausmacht.

Situation (© maeder | stooss architekten)
Grundriss Untergeschoss (© maeder | stooss architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© maeder | stooss architekten)
Grundriss Obergeschoss (© maeder | stooss architekten)
Grundriss Dachgeschoss (© maeder | stooss architekten)
Längsschnitt (© maeder | stooss architekten)
Bauwerk
Ganztageskindergarten von Sputnik Bern
 
Standort
Zieglerstrasse 7 und 7a, 3007 Bern
 
Nutzung
Ganztageskindergarten
 
Auftragsart
Dienstleistungsausschreibung
 
Bauherrschaft
Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik – Stadt Bern
 
Architektur
maeder | stooss architekten gmbh, Bern
Daniel Stooss (Projektleiter) und Chetna Berger
 
Fachplaner
Bauingenieur: Matthias Lüthi, Weber + brönnimann AG, Bern
Bauphysik: Marc Rüfenacht Bauphysik + Energie, Bern
Gebäudetechnik: Marc Wüthrich, Epro Engineering, Gümligen
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 2.57 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 2.18 Mio.
 
Gebäudevolumen 
2024 m3
 
Kubikmeterpreis BKP 2
1077 CHF/m3 inklusive Mehrwertsteuer
 
Energiestandard
Gemäss Kantonaler Energieverordnung (KEnV)
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Natursteinarbeiten: Von Dach AG, Bern 
Spenglerarbeiten: Affolter Spenglerei GmbH, Bern
Bedachungsarbeiten: Hürst AG, Bern
Metallbauarbeiten (Geländeranpassungen): Loretan Metallbau AG, Wattenwil
Gärtnerarbeiten: Schmid + Partner Gartenbau AG, Hindelbank
Restauratoren: Fischer & Partner Restauratoren, Bern
Bauhistoriker: Siegfried Möri, ADB, Burgdorf
 
Fotos
Damian Poffet, Bern

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