af-z Reihe: Meier Hug Architekten

Juho Nyberg
8. Dezember 2011
Säntishalle, Arbon (alle Bilder: Roman Keller)

Eine der Auffälligkeiten der Architektur von Meier Hug Architekten ist die weitgehende Absenz von Auffälligkeiten. Sie bereiten mit ihren Gebäuden vielmehr eine Bühne für die Bewohner und Nutzer, räumen ihnen Platz ein zur Entfaltung. Die Akzente werden durch die Menschen und ihre Möbel gesetzt, gelegentlich auch durch Kunstwerke, wie bei der Säntishalle in Arbon. Dort durfte Katalin Déer verschiedene Räume mit bunten Stuckmarmorfeldern schmücken. Die Platten wurden bereits in Rohbau in die Schalung der Turnhallenwand eingelegt und gehen so im Wortsinn eine Verbindung mit der Architektur ein.

Säntishalle, Arbon

Ebenso stark verbunden ist das Gebäude selbst mit seiner Umgebung. Die volumetrisch und farblich dominante Nachbarschaft sollte mit einem zurückhaltenden Baukörper ergänzt werden, der erst auf den zweiten Blick sein Verhältnis zu ihr offenbart. So spiegelt sich das alte rötliche Schulhaus gegenüber in der Verglasung des Saales, der über dem Eingang thront und damit auf subtile Weise eine aus der Umgebung stammende Farbigkeit annimmt.

Der städtebaulich-räumlichen Verzahnung des Baus im Quartier entspricht der starke Verbund von Raum und Struktur im Inneren des Schulhauses, wo die Schulzimmer seitlich an den zentralen Gang angegliedert sind. Zusammen überspannen sie ähnlich einer Brücke die halb eingegrabene Turnhalle. Diese öffnet sich seitlich, während der im ersten Stock liegende Saal dem Strassenraum zugewandt ist und so auf seine öffentliche Funktion verweist. Als über den Eingang vorgeschobenes Volumen schafft der Saal gleichzeitig einen gedeckten Vorplatz und setzt ein Zeichen im Strassenraum. Gefasst wird das ganze Gebäude von einem Raster in Beton, dessen gleichmässige Felder die verschiedenen Funktionen vereinen.

Die reine Form
Die Ruhe in den Entwürfen von Meier Hug Architekten wird dadurch unterstrichen, dass die eingesetzten Materialien jeweils in ihrer reinsten Form auftauchen. Holz, Stein, Beton – alles tritt selbstbewusst als Teil des Ganzen auf und verleiht den Bauwerken eine erfrischend ungekünstelte Aura. Es ist nicht, dass sie bewusst auf eine ausdrückliche Ehrlichkeit ihrer Architektur abzielten. Sie wollen einfach keine lauten Häuser schaffen. Vielmehr suchen sie eine stille Eingliederung in die Umgebung, als deren Ergebnis die Selbstverständlichkeit der Erscheinung ihrer Bauten steht. Das Zeitgenössische ihrer Entwürfe ergibt sich aus dem Kontext oder der Aufgabenstellung, etwa dem Raumgefüge. In ihre Entwürfe fliessen stets auch viele Referenzen aus ihren eigenen Erinnerungen ein, Erfahrungen setzen sich darin fest. Die Unschärfe der Erinnerung erinnert an eine mit weichem Bleistift aufs Papier geworfene Skizze, die sich verschieden lesen lässt. Das Zusammenkommen von Erinnerung, vielleicht auch Imagination und Konkretem lässt sich besonders an den Sanierungen erkennen. 

Saniertes Haus an der Lindenhofstrasse, Zürich

Sowohl dem Haus an der Lindenhofstrasse als auch jenem an der Dolderstrasse würde man sofort abnehmen, die Sanierung sei aufgrund einer langjährigen Freundschaft zwischen den Architekten und dem Objekt entstanden. Sie verstehen es, das Wesentliche des Bestandes herauszuarbeiten, um so dem Gebäude zu einem Ausdruck zu verhelfen, der dem Betrachter sogleich ein Verständnis für das Haus verschafft.

Eine besondere Herausforderung stellte der Wettbewerb zum Alterszentrum Frauensteinmatt in Zug dar. Die Stadt Zug beabsichtigte, auf dem Areal neben Alters- und Pflegewohnungen auch Wohnungen für Familien anzubieten. Meier Hug Architekten gliederten das Raumprogramm in drei Volumen, von denen zwei prominent und einander sehr ähnlich sich entlang der Bahnlinie beinahe in einander verzahnen und so die Parzelle fassen. In ihnen sind das Alters- und Pflegeheim sowie die Familien- und Alterswohnungen untergebracht. Der dritte Bau beherbergt ein Priesterheim. Es ist deutlich kleiner und vermittelt mit seiner kleineren Volumetrie zwischen der Anlage und dem umliegenden Quartier. Die mehrfach geknickten Fassaden aller drei Bauten bilden das übergeordnete System, das alle zusammenhält. Gleichzeitig erfasst man dadurch auch die beiden grossen Gebäude kaum je in ihrer tatsächlichen Grösse, da sie sich immer ein wenig wegzuducken scheinen.

Alterszentrum Frauensteinmatt, Zug

Rückkehr des Ornamentes
Obwohl Meier Hug Architekten zum überwiegenden Teil über Wettbewerbe an ihre Aufträge kommen, ist die Vielfalt – sowohl in Grösse als auch in Art der einzelnen Projekte – auffällig. Von Kleinstbauten wie dem Seebad Enge bis zu den gemeinsam mit pool Architekten erarbeiteten Hochhäusern Baden Nord spannt sich ein weites Feld. Der städtebauliche Einfluss ihrer Bauten bemisst sich in ihren Augen mitnichten an der Grösse und Sichtbarkeit. Der Wohnbau mit angrenzender Scheune Herzogenmühle in Zürich Schwamendingen ist gemessen an seiner Umgebung verschwindend klein. Doch für das Quartier ist dieser nach einem Brand wiederhergestellte Kleinbau ein wichtiger Baustein. Die Scheune wurde vollständig neu erstellt. Ihre mit Lärche verkleidete Fassade ist durchlässig dank der von Hand eingesägten Ornamentik und trägt so die traditionelle Bauweise und Typologie in die heutige Zeit.

Die Skyline von Baden (Bild: Marcel Schaufelberger)

Die Lust an gestalterischen Bauteilen zeigt sich bei der Arbeit von Meier Hug Architekten immer wieder. Unterschiedliche bautechnische Aspekte, die genau so gut auch nicht beachtet werden könnten, tragen hier häufig zur Formfindung bei. Dies ist das Resultat einer offenen Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten und manifestiert sich etwa in der leicht gefalteten Decke der Turnhalle in Arbon, die dadurch akustisch effektiv ist, oder in der sich nach oben verjüngenden Fassadenstützen im Hochhaus Baden Nord, deren Belastung nach unten selbstredend zunimmt. Die Konsequenz aus solchen Erkenntnissen gestalterisch umzusetzen, ist die ureigene Aufgabe der Architekten. Meier Hug Architekten gelingt es, diese Kernaufgabe der Architektur hervorragend zu meistern.

Die Scheune Herzogenmühle in Schwamendingen

Vorgestelltes Projekt

EBP AG / Lichtarchitektur

Schulanlage Walka Zermatt

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