Ein Showroom für Teo Jakob

Juho Nyberg
10. November 2016
Durchblick durch den Ausstellungsraum. Fotos: Alfred Hablützel

Die Einrichtungsgeschäfte von Teo Jakob sind Schweizer Kulturgut und eng verwoben mit der Geschichte des Schweizer Nachkriegsdesigns. 1947 diplomiert Jakob, damals noch Theodor mit Vornamen, als Tapeziermeister-Dekorateur und übernimmt drei Jahre später das Geschäft seines Vaters in der Gerechtigkeitsgasse 23 in der Berner Altstadt. Der Generationenwechsel wird zum einen in der neuen Orientierung des Sortiments auf moderne und funktionale Stücke sichtbar, zum anderen im neuen und bis heute gültigen Logo. Der vom befreundeten Gestalter Alfred Hablützel entworfene, in roten Helvetica-Kleinbuchstaben gehaltene Schriftzug unterstreicht die pragmatische Ausrichtung und die Zeitlosigkeit des Geschäfts, das 1955 im von Kurt Thut entworfenen Ausstellungsraum in Bern eine adäquate architektonische Umgebung findet. In direkter Nachbarschaft in der Berner Gerechtigkeitsgasse befindet sich seit 1953 das Ladenlokal «form» des Designers und Innenarchitekten Hans Eichenberger. Aus der räumlichen und ideellen Nähe entwickelt sich in der Folge eine Zusammenarbeit bei verschiedenen Projekten.

Erste Entwurfsskizzen Hans Eichenbergers.

Noch vor der Gründung der Gruppe Swiss Design, bestehend aus Teo Jakob, Hans Eichenberger, Kurt Thut und Robert Haussmann im Jahr 1958, entwirft Hans Eichenberger die erste Filiale von Teo Jakob in Genf. Am Südufer des Lac Léman, in der Nähe des Jet d’Eau, liegt das Quartier Eaux-Vives. Die Rue du Rhône mündet an ihrem östlichen Ende in einen kleinen, baumbesetzten Platz, den Place des Eaux-Vives. Direkt an der Strassenecke eröffnet 1957 die erste Filiale von Teo Jakob. In den Plänen Eichenbergers als «Ausstellungsladen» bezeichnet, würde man es heute wohl Showroom nennen. Die Pläne und Fotos aus der Zeit zeigen einen dreiseitig verglasten, pavillonhaft anmutenden Raum mit elegant gerundeten Eckverglasungen. Auf zwei Seiten an Strasse und Platz angrenzend,
ist die dritte Schaufensterfront entlang einer Passage angeordnet, die mittlerweile zur Geschäftsfläche der heute hier befindlichen Bank gehört. Immerhin lassen andere Teile des Ladengeschosses noch die ursprüngliche Architektur erahnen, einschliesslich der geschwungenen Fensterfronten, die jeweils die Passagen ins Gebäudeinnere ankündigen. Erhalten geblieben ist auch das ausladende umlaufende Vordach. Es zitiert die Rundungen an den Gebäudeecken und nimmt zugleich Besitz vom Strassenraum, indem es ihn überdacht. Dadurch entsteht eine dritte, virtuelle Raumschicht, die den Übergang von der Strasse zu den Ladenflächen verfeinert.

Die Raumwirkung wird mit nur zwei leichten Wandscheiben erzielt.

Die Fläche, die dem Ausstellungsladen zur Verfügung steht, ist nicht sonderlich üppig. An der Längsseite wird sie durch drei Säulen auf der Innenseite der Fensterfront in zwei gleiche, etwa quadratische Teile gegliedert. Die dünnen Rahmen der grossen Glasflächen sind als feine vertikale Linien kaum wahrnehmbar. Eine dreiseitig einsehbare Bühne steht für Hans
Eichenbergers Ideen bereit. Übergreifendes Element ist die Rasterdecke, die allseitig leicht abgesetzt ist. Durch dieses Absetzen und das Erleuchten der gesamten Fläche zeichnet sich ein feiner Schattenwurf ab, besonders sichtbar an der langen Rückwand, und löst Decke und Wand voneinander. Zu den Schaufenstern hin übernimmt die dunkle Deckenstirn diese Aufgabe. Der dominanten Querrichtung des Raumes setzt Eichenberger einen Raster aus Rippen in unterschiedlichen Höhen entgegen: Quer zum Raum stehen hohe Rippen in kurzem Abstand, rechtwinklig dazu feinere, nur etwa halb so mächtige. Dadurch treten der Raum und die Leuchtdecke in einen lustvollen Gegensatz. Die entstehenden Felder der Decke wiederum zitieren die Ausrichtung und Proportionen des Raumes an sich.

Zwischen diesen beiden horizontal angeordneten Antipoden organisiert Eichenberger den Raum mit wenigen, haargenau angeordneten Elementen: Zwei Wände ordnen den Raum und verhüllen Nebensächliches. Als Grundelement dient eine einfache Wandscheibe, die einmal als Solitär eingesetzt, einmal sechsfach aufgereiht die ihr jeweils zugedachte Funktion erfüllt. Die grössere der Wände ist dem Rücken des Raumes nur leicht vorgelagert. Hinter ihr befindet sich eine Treppe, die hinabführt ins Untergeschoss. Jedoch soll die Treppe nicht versteckt werden, vielmehr steht sie mit der Wand in einem Dialog, weisen doch beide in dieselbe Richtung. Noch weiter in den Raum hinein ragt die als Solitär erscheinende Wand. Mit dem hinter ihr verborgenen Regal mit Stoffmustern wirkt sie wie eine herausgezogene Schublade und verleitet zum Gedanken, ob die hinteren sechs Elemente wohl ähnliche Geheimnisse verbergen. In gewisser Weise ist das tatsächlich so: Im Untergeschoss befindet sich die erweiterte Ladenfläche.

Abgang zur erweiterten Ladenfläche.

Den Raum im Erdgeschoss gliedern die beiden Wände gemeinsam mit dem Regal in eine Bürokoje und eine wohlproportionierte Ausstellungsfläche. Diese wird durch die vor der Treppe stehende Wand noch einmal in zwei Bereiche unterteilt – nur mit Hilfe des Versatzes in der Raumtiefe. Unterstrichen wird die Gliederung durch die unterschiedliche Materialisierung: Die leichte Wandscheibe in Holz und die neutrale weisse Wand zuhinterst schaffen unterschiedliche Raumstimmungen. Die Leichtigkeit der hölzernen Wandscheiben wird durch präzise Details noch betont: Eine feine Schattenfuge löst sie vom Boden und lässt sie scheinbar auf ihrer Längsachse balancieren. Sie erstrecken sich bis zur Rasterdecke hoch – jedoch nur, um sie wie mit den Fingerspitzen am tiefstmöglichen Punkt sanft zu berühren. Eichenbergers Pläne und Skizzen vom Februar 1957 sind mit der auf den Fotos sichtbaren Ausführung weitgehend identisch. Im Grundriss sind ausser den Wänden um die Treppe herum und den Umrissen der abgehängten Decke keine baulichen Eingriffe zu sehen. Die Lage der Bürokoje ist durch Möbel angedeutet und bereits festgelegt. Nun, ganz so puristisch ist die Ausführung nicht geworden, es hat sich noch das Regal mit den Stoffmustern hinzugesellt. Jedoch ist die Ergänzung nicht als simple Addition eines weiteren Möbelstücks erfolgt, sondern hat den Architekten offensichtlich herausgefordert. Das Ergebnis mit den gestaffelten, beinahe schwebenden Wandscheiben zeugt von einem herausragenden Gespür für Räume.

Hans Eichenberger – Protagonist der Schweizer Wohnkultur

Die diesjährige Sonderausstellung im Architekturforum Zürich, entwickelt von Joan Billing und Samuel Eberli von Design+Design und begleitet von Arthur Rüegg, ist Hans Eichenberger (*1926) gewidmet, dem diesjährigen Träger des Grand Prix Design des Bundesamts für Kultur. Sie zeigt während 21 Tagen im Architekturforum Zürich einen Ausschnitt aus der Geschichte des Schweizer Designs und setzt die Reihe der «Protagonisten der Schweizer Wohnkultur» mit Hans Eichenberger fort. 
Thematische Schwerpunkte der Ausstellung und des Rahmenprogrammes mit Abendanlässen und Sonntagsmatinées sind seine in den 1950er- bis 1970er-Jahren entworfenen und hergestellten Möbel. Als Entwerfer von Holz- und Stahlrohrmöbeln sowie Gestalter von Innenräumen repräsentiert Hans Eichenberger ein halbes Jahrhundert Schweizer Designgeschichte. Eichenbergers Werk zeugt von einer konstanten schöpferischen Tätigkeit und ist seit den 1950er-Jahren von zahlreichen Begegnungen mit Persönlichkeiten des Schweizer Designs mitgeprägt: Max Bill, Alfred Roth, Teo Jakob, Robert Haussmann, Kurt Thut, Alfred Hablützel und das Architektenkollektiv Atelier 5 sind einige davon.

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