Energiekonzepte

Juho Nyberg
5. April 2012
Freak Power: Alternative Energieform?

Das 1996 erschienene Album der Band Freak Power bringt den Anspruch unserer Gesellschaft auf den Punkt: «More Of Everything For Everybody». An der Erfüllung dieses Wunsches arbeiten wir unentwegt, Tag und Nacht. Es gibt kein Entrinnen. Selbst bei der Bekämpfung der Gefahren unseres Lebensraums – etwa des CO2-Ausstosses oder, etwas latenter: der Atomenergie – steht die Beseitigung dieser lästigen Nebeneffekte Klimaerwärmung oder drohende atomare Verseuchung immer im Zusammenhang des gleichzeitig stetig steigenden Energieverbrauchs von uns allen. Es scheint, als sei das ein Naturgesetz, ein unaufhaltsamer und unumkehrbarer Trend, dass wir immer mehr und mehr brauchen.

Zunehmend mehr Geräte in Küche, Wohnzimmer, Büro und Aktentasche erhöhen den individuellen Energiebedarf. Effizienzsteigerungen bei Verbrennungsmotoren von Autos kommen zusätzlicher Leistung zugute, nicht etwa einem geringeren Verbrauch bei schon lange mehr als genügender, und deshalb gleichbleibender Leistung. Weihnachtsbeleuchtungen in unseren Gärten und Shoppingmeilen werden üppiger, schliesslich verwenden wir ja energiesparende LEDs, die zuweilen eine groteske Mischung aus Times Square und Pistenbeleuchtung von Flughäfen darstellen. Die Ergebnisse der als Dienst an der Umwelt deklarierten Forschung sind durchaus beeindruckend. Nur werden die Effekte häufig nicht so eingesetzt, dass sie den vorgegebenen Zweck auch tatsächlich erfüllen würden.

Von Hansjürg Leibundgut saniert: Haus von Ernst Gisel in Zumikon (Bild: Juho Nyberg)

Der Gebäudebestand in der Schweiz verursacht einen Grossteil des gesamten jährlichen Energieverbrauchs. Jeder vierte Neubau wird mittlerweile nach Minergie-Standards erstellt, die gesamte beheizte Nutzfläche in Minergie-Gebäuden beträgt über 25 Millionen Quadratmeter. Im Zentrum des Minergie-Konzeptes steht der Komfort, «ermöglicht … durch eine hochwertige Bauhülle und eine systematische Lüftung». Dieser Ansatz lässt sich gut bei Neubauten verfolgen, kann doch die ganze Planung danach ausgerichtet werden. Von den über 23'000 zertifizierten Gebäuden ist jedoch nur ein kleiner Teil Altbauten. Lassen sich Fenster und Dächer bei alten Gebäuden verhältnismässig leicht durch energieeffiziente Bauteile ersetzen, ist bei der Fassade das Problem häufig ein unlösbares. Die Applikation einer Aussendämmung verändert die Erscheinung eines Hauses grundlegend, eine Innendämmung ist vergleichsweise ineffizient (Speichermasse liegt aussen) und nicht leichter konsequent auszuführen.

Hansjürg Leibundgut, Professor für Gebäudetechnik an der ETH Zürich, steht seit einiger Zeit mit seiner These, es gelte nicht primär den Verbrauch, sondern die Emissionen zu verringern, im Kreuzfeuer der Kritik. Sein Ansatz liegt kurz gefasst darin, die grenzenlos verfügbare Sonnenenergie im Erdreich zu speichern, um diese in der kalten Jahreszeit herauf zu holen. Da die gewonnene Energie (weitgehend) emissionsfrei ist, kann auf eine aufwendige Dämmung der Gebäudehülle verzichtet werden, der architektonische Ausdruck der Gebäude wird nicht verändert. Gerade bei epochalen Bauten ist dieser Ansatz von grosser Bedeutung und könnte als mögliche Variante für Erneuerungen, wie etwa die Sanierung des Schulhauses Strandboden in Biel herhalten. Für die Erhaltung des Erscheinungsbildes der Schule von Architekt Max Schlup setzen sich neben der Denkmalpflege auch namhafte Kolleginnen und Kollegen ein. Sie sind mit der vorgeschlagenen energetischen Sanierung der Fassade nicht einverstanden, weil der Sanierungsvorschlag ästhetisch ungenügend erscheint. Die Kontroverse um den richtigen Umgang mit Bauten aus der Nachkriegszeit dürfte uns noch eine Weile begleiten, stehen doch bei vielen Bauten aus jener Zeit Sanierungen an.

Wer braucht wieviel? Energieverbrauch nach Gruppen (Quelle: bfs.admin.ch)

Energetisch gleichermassen bedeutend ist der Verkehr. Als bedeutendsten Einflussfaktor für den Anstieg des gesamten Energieverbrauchs (seit 1970 um 50%, seit 1990 um 8%) macht das Bundesamt für Statistik (BFS) in erster Linie das Verkehrswachstum aus. Dabei spielt der an dieser Stelle bereits behandelte Pendlerverkehr eine bedeutende Rolle. Das BFS weist auf der Basis der Volkszählung aus dem Jahr 2000 bereits eine knappe halbe Million Erwerbstätiger aus, die einen Arbeitsweg von 30 Minuten und mehr haben. Angesichts der steigenden Frequenzen bei Bus und Bahn und der alltäglichen Staumeldungen kann von einem bedeutenden Zuwachs in der letzten Dekade ausgegangen werden. Bestrebungen, diese Tendenzen wirksam zu bekämpfen – nämlich finanziell – werden noch wirksamer bekämpft. Zuletzt wurde zum Jahresende 2011 die Idee, die Pendlerabzüge auf 800 Franken zu beschränken, beerdigt. Dies war notabene auf der Ebene der Bundessteuern vorgeschlagen worden. Die Gestaltungsfreiheit der Kantone sollte gar nicht angetastet werden.

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