Junge Schweizer Architekten

Juho Nyberg
9. Dezember 2010
Altersheim Naters (alle Bilder: Architekten) 
Vorsätzliche Architektur

Gegen Ende ihres Studiums beschlossen Christoph Ramser und Raphael Schmid, sich einmal gemeinsam an einem Architekturwettbewerb zu beteiligen. Es war die Lust am Entwurf, die die beiden Jungarchitekten dazu bewog. Mögliche Konsequenzen dieser Idee, wie etwa den Wettbewerb tatsächlich zu gewinnen, waren nicht in Betracht gezogen worden. Auch die Wahl des Wettbewerbsobjekts war eher eine Entscheidung aus dem Bauch heraus: Die Gemeinde Naters im Wallis wollte ein neues Altersheim bauen.

Die Nachricht des ersten Preises in diesem Wettbewerb traf die beiden Jungarchitekten denn auch sehr unvermittelt. In einem Keller im Zürcher Universitätsquartier hatten sie sich ihr Entwurfslabor eingerichtet, wo sich nun ungläubige Freude alsbald mit etwas Respekt vor der anstehenden Aufgabe und ihrer Grösse mischte. So genau hatten sie sich ihre Zukunft gar nicht ausgemalt. Die folgende Überarbeitung liess ein wenig Zeit zur Angewöhnung an die neue Situation – leider mit dem Ausgang, dass sie letztlich von einem Konkurrenten überholt wurden und ausser dem nominellen ersten Preis nicht viel übrig blieb. Andererseits hatte dieser erste Erfolg das Feuer tüchtig entfacht. Mit dem Elan des spontanen Erfolgs gingen sie an die nächste Aufgabe heran – und gewannen prompt erneut! Das Siegerprojekt zur Erweiterung der Primarschulanlage in Rüschlikon ist breit dokumentiert worden (u.a. archithese 3.2007) und hob das Büro Ramser Schmid mit einem Schlag ins Bewusstsein der Schweizer Architekturszene.

Volumetrisch Vermitteln

Das Bemerkenswerte der Anlage ist, dass das Kernstück der Neubauten – die Turnhalle – so gut wie gar nicht in Erscheinung tritt, aber Ursprung der sichtbaren Massnahmen ist. Die raffinierte und zunächst irritierende Assemblage von gartenhausgrossen Gebäuden erweist sich als mehrschichtig: Funktional belichten sie die versenkte Turnhalle, gleichzeitig möblieren sie auf verspielte Weise den Pausenhof und verweisen mit ihrer kleinen Grösse auf poetische Weise auf die Benutzer der Schule. Darüber hinaus erweisen Ramser Schmid mit den Kleinbauten der von kleinteiligen Einfamilienhäusern geprägten Umgebung ihre Reverenz.

Das hier angewandte Spiel mit Massstabssprüngen hat seine Ursache in der Entwurfsstrategie von Ramser und Schmid: Der Entwurf entwickelt sich zu einem bedeutenden Teil aus der durch das Modell vermittelten Umgebung. Der Bezug wird nicht auf formal kleiner Ebene gesucht, sondern in der volumetrischen Vermittlung zur – respektive Angleichung an – die Umgebung. Bereits das Altersheim in Naters verrät diesen Ansatz: Der Baukörper besteht im Grunde aus fünf ortsüblich grossen Volumen, die jeweils an den Ecken miteinander verschmelzen. Interpretationen dieser Strategie finden sich auch im Wettbewerbsbeitrag zur Wohnüberbauung Grünwald (in Zusammenarbeit mit Bhend Klammer Architekten, Zürich) oder im mit dem dritten Preis belohnten Beitrag zur Wohnüberbauung Notkersegg in St. Gallen.

Ramser Schmid vertrauen darauf, dass die Stärke ihres Schaffens im Grossen und Ganzen liegt. Dieses Vertrauen in die Kraft ihrer Ideen lässt zu, dass sie Projekte auch weitergeben können, wie dies gerade im Limmatfeld in Dietikon der Fall ist. Vom Projektentwickler beauftragt, durften sie für einen Teil eines Blockrandes Wohnungen entwerfen. Allerdings sollte dies in einem engen Rahmen geschehen, legt doch der von Hans Kollhoff für das Areal ersonnene Masterplan unter anderem die Gebäudetiefen fest: 18 Meter für Wohnbauten ist doch etwas ungewöhnlich und forderte die Kreativität der Architekten besonders heraus. Ein in Gebäudemitte gelegener Raum – etwa ein überdimensionaler Korridor – dient als Drehscheibe für die ganze Wohnung. Er erschliesst sämtliche angrenzenden, aussen liegenden Räume. Eine präzise Funktion ist diesem Innenraum nicht zugeschrieben. Vielmehr vertrauen die Architekten darauf, dass die Bewohnerinnen und Bewohner ihn auf individuelle Weise nutzen werden. Um die natürliche Belichtung zu maximieren und den Fluss zwischen den einzelnen Räumen möglichst nicht zu beeinträchtigen, wurden raumhohe Schiebetüren vorgeschlagen. Gleichzeitig ermöglicht das Fehlen des Fenstersturzes das Eindringen von möglichst viel Tageslicht. Diesen Entwurf geben sie nun weiter: Stücheli Architekten werden sich um die Umsetzung kümmern. Im Vorfeld der Übergabe gab es einige gemeinsame Workshops, in denen die wichtigsten Details festgelegt wurden. Über das abschliessende Ergebnis ihres Entwurfes und ob ihr Mut angemessen belohnt wird, können sich Ramser und Schmid in einigen Jahren ein Bild machen.

Innenhof der Siedlung in Bonstetten 
Eigene Welten schaffen

Der letzte Streich des erfolgreichen Architektenduos aus Zürich West ist der erste Preis für die Überbauung in Bonstetten, die eine Kirche und fünfzig Wohnungen vereint. Die heutige Anlage an prominenter Lage gegenüber dem Bahnhof ist nur provisorischer Natur, deren Glockenturm ein weithin gut sichtbares Zeichen am richtigen Ort. Ramser Schmid übernahmen den Standort der Kirche, der in ihrem Entwurf gleichzeitig auch den Eingang in das Innere der Siedlung markiert. Die ganze Anlage ist als Blockrand mit aufgebrochenen Ecken konzipiert. Zwei spiegelsymmetrische Wohnbauten an der Nord- und Ostgrenze der Parzelle schaffen nach aussen einen klaren Strassenraum. Die Anordnung der beiden Wohnbauten ergibt sich aus der Orientierung der Parzelle und der daraus optimalsten Besonnung der Wohnungen. Im Inneren der Anlage liessen sich die Architekten mehr gestalterische Freiheit: Die Fassaden mit eingezogenen Balkonen entfalten sich im wörtlichen Sinne und bilden für den gemeinsamen Innenhof eine lebhafte und anregende Kulisse für die «eigene Welt» der Bewohner. Die unregelmässige Form findet sich auch im Kirchenbau wieder, die damit gleichzeitig auf die verschiedenen Nutzungen und Anforderungen eine intelligente und spielerisch leicht wirkende Antwort findet: Der polygonale Kirchenraum ermöglicht sowohl einen direkten Zugang vom Foyer aus als auch eine Erweiterung durch den Gemeindesaal.

Grundriss Obergeschoss Bonstetten 
Spass der Spezialisten

Das klare Bekenntnis des Büros Ramser Schmid Architekten zum Entwurf paart sich mit dem unprätentiösen Selbstverständnis, auch etwas aus der Hand geben zu können. Konsequent verfolgen sie die Aufgaben, die ihnen Spass bereiten und damit ihr innerster Antrieb sind. Gleichzeitig definieren sie sich damit als Spezialisten und weisen sich aufgrund der Ergebnisse der Wettbewerbe auch als solche aus.

Vorgestelltes Projekt

Estimo Architekten AG

Villa Monte

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