Klappen, Stapeln und Verstellen

Juho Nyberg
15. November 2012
Speerspitze der Moderne in der Schweiz: Haefeli Moser Steiger (Foto: Michael Wolgensinger, 1938, Bild: gta Archiv, ETH Zürich)

Auf der Suche nach industrieller Serienfertigung von Möbeln in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstanden die ersten Entwürfe von Stahlrohrmöbeln. Einerseits war man auf der Suche nach ästhetischer Klarheit und explizit einfachen Formen, andererseits sollten die Möbel typisiert und in Serie industriell gefertigt werden. Das Stahlrohr als Ausgangsmaterial war von maximaler schlichter Eleganz, liess sich gut industriell verarbeiten und hatte dazu noch die Aura des Modernen. Darüber hinaus schrieb man den neuen, einfachen Formen besondere Eigenschaften zu, wie im Film «Die neue Wohnung» (Ausschnitt im Beitrag von «Kulturplatz») aus dem Jahr 1930 zu hören ist: «Einfache Möbel passen immer zueinander und wirken auf uns entspannend.»

Eine besondere Rolle in der Entwicklung von Möbeln in den 1930er Jahren nimmt Werner Max Moser ein. Nach seinem Studium der Architektur an der ETH Zürich arbeitet er unter anderem in den USA bei Frank Lloyd Wright. Nach der Rückkehr aus Amerika entwirft er für das Büro seines Vaters Karl Moser erste Möbel. 1927 bietet sich einer Gruppe junger Schweizer Architekten – unter ihnen Werner Max Moser – die Gelegenheit, an der Weissenhof-Ausstellung in Stuttgart sechs Wohnungen im Gebäude Mies van der Rohes einzurichten.

Werkbundsiedlung als Ausstellungsraum
Einem breiten Schweizer Publikum bekannt werden die modernen «Typenmöbel» schliesslich im Zusammenhang mit der Siedlung Neubühl in Zürich Wollishofen. An deren Entwicklung beteiligt sind unter anderen auch die Architekten Max Ernst Haefeli und Rudolf Steiger, deren späteres gemeinsames Architekturbüro zu den wichtigsten der Schweizer Szene des 20. Jahrhunderts gezählt werden muss.
Zeitgleich mit der Entstehung der Siedlung Neubühl gründen Siegfried Giedion und Rudolf Graber zusammen mit Moser den wohnbedarf. Die erste Ausstellung des Unternehmens findet in der Siedlung Neubühl statt und bereits ein Jahr später steht die erste Kollektion aus Stahlrohrmöbeln, massgeblich beteiligt an der Gestaltung ist Werner Max Moser.

Das Besondere von Mosers Entwürfen besteht in der Raffinesse und Durchdachtheit. Entgegen der in seinen Augen überkommenen Auffassung, ein Möbelstück erfülle nur eine spezifische Funktion, sind seine Möbel typologisch gedacht. So soll sich ein Tisch ebenso für das Wohnzimmer eignen wie für das Schlafzimmer oder gar den Garten. Einige ergeben in Kombination oder Multiplikation neue Funktionen, wie etwa der Beistelltisch «Modell 120», der sich durch das Aneinanderstellen von zwei Stücken in ein Regal verwandelt (und bei Embru immer noch erhältlich ist).
Darüber hinaus tragen Mosers Möbel den knapp bemessenen Wohnungsgrundrissen Rechnung, indem sie mehrere Funktionen erfüllen, verstell- und klappbar sind und in ihren Dimensionen wie die Grundrisse sich auf das Wesentliche beschränken. Ganz im Sinne des eingangs erwähnten Filmzitates sind die Möbel selbstverständlich aufeinander abgestimmt und damit beliebig kombinierbar.

Wegweisend, elegant: Möbel von Werner Max Moser. (Bild: © Fotograf Michael Lio / Design+Design)

Kennenlernen und kaufen
Einen Einblick in das vielseitige Schaffen von Werner Max Moser kann man ab diesem Freitag, 16. November während zwei Wochen im Architekturforum Zürich erlangen. Der dieses Jahr bereits zum siebten Mal stattfindende «Design+Design, Salon für Vintagemöbel» bringt im Rahmen einer Ausstellung jeweils ein ausgesuchtes Thema dem interessierten Publikum näher. Das Augenmerk der beiden Ausstellungsmacher Joan Billing und Samuel Eberli kann einem einzelnen Möbelstück gelten, wie in der Ausstellung von 2007, die unter dem Titel «Die Le Corbusier Liege und ihre Variationen» die kleinen, feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausführungen des ikonenhaften Möbels ausleuchtete und aus jeder Besucherin ein Stück weit eine Expertin auf dem Gebiet der Designliegen machte. Oder sie widmen die Ausstellung einem bestimmten Gestalter, wie bereits in den zwei vorangegangenen Jahren mit Wilhelm Wagenfeld und Jacob Müller geschehen.
Nun wird also das Werk Werner Max Mosers beleuchtet. In einer von Joan Billing und Samuel Eberli in Zusammenarbeit mit Professor Arthur Rüegg konzipierten Ausstellung werden die wichtigsten Objekte aus Mosers Werk gezeigt, von denen einige heute noch hergestellt werden. Neben den üblichen Öffnungszeiten des Architekturforums ist die Ausstellung zusätzlich auch an den Sonntagen, 18. Und 25. November jeweils von 10 bis 18 Uhr zugänglich. Am ersten Sonntag, dem 18. November findet um 11 Uhr eine Matinée und Führung mit dem ehemaligen Geschäftsführer von Embru, Peter Lempel, und den beiden Kuratoren Joan Billing und Samuel Eberli statt.
Wer gleich ein schönes Stück für daheim erwerben will, dem sei der Salon im grossen Vortragsaal des Kunsthauses Zürich empfohlen.

Die Details verstehen: Die Ausstellung im af-z lädt zum Studieren ein (Bild: © Fotograf Michael Lio / Design+Design)

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