Neues Flair im Seefeld

Jenny Keller
20. Dezember 2012
Die Atelierplätze sind alle vermietet, Parkplätze gibt es noch in der Liegenschaft am Kirchenweg 4 - 8 in Zürich. Bild: jk

Nora Zukker von Interim führt durch die Liegenschaft und beantwortet später einige Fragen zum Projekt Interim und der neuen Liegenschaft am Kirchenweg. Nach einem Gang durch lange Korridore und Treppenhäuser finden wir uns in einer grossen Cafeteria wieder, die sich seit den Sechzigerjahren nicht gross verändert hat, doch seit einigen Tagen steht hier ein Pingpongtisch.

Das ehemalige Personalrestaurant kann von allen Interim-Leuten benutzt werden, zwei Herdplatten stehen zum Kochen bereit und eine Kaffeemaschine brüht Lavazza-Kaffee für einen Franken pro Becher. Während des Gesprächs setzen drei Kollegen einen Topf Pasta auf, trinken dazu ein Glas Wein aus Wassergläsern. Die Sicht auf den benachbarten Seeburgparkpark ist wunderbar an diesem strahlenden Wintertag.

Bild: jk

Seit wann gibt es den Verein «Projekt Interim»?
Seit einem Jahr. Wir führen den non-profit-Verein zu dritt: Neben mir, ich bin Jungautorin, sind das Lorenzo Kettmeir, Architekt, und Lukas Amacher, Musiker. Ausserdem werden wir von einem Beirat unterstützt.

Wie oft seid ihr schon umgezogen?
Erst einmal, und zwar anfangs November von der Badenerstrasse 595 in Altstetten hierhin an den Kirchenweg 4 – 8 im Seefeld in Zürich. Mit uns sind drei Viertel der Zwischennutzer, die schon an der Badenerstrasse gearbeitet haben, mitgekommen.

Wir fokussieren auf Zwischennutzer, die ihren Raum wirklich brauchen. Erstens sollten sie ihn wirtschaftlich nötig haben und zweitens sollten sie vollzeit hier arbeiten. Von Zwischennutzern, die kommerziellen Erfolg haben und sich marktübliche Mieten leisten können, erwarten wir, dass sie anderen Platz machen, die günstigen Raum nötiger haben.

Kreatives Chaos in einem Künstleratelier. Bild: jk

Das klingt so, als seid Ihr alles Gutmenschen. Was sind denn Eure Interessen, die Ihr mit dem Projekt Interim verfolgt?
Natürlich sind wir gute Menschen! (lacht) Wir haben ganz einfach bemerkt, dass es bei Umbauten oft zu Bauverzögerungen kommt, und dass dann ein Eigentümer die Liegenschaft nicht vermieten kann, weil die Dauer des Leerstands ungewiss ist, und das Haus offen sein muss für Vermessungsarbeiten und dergleichen.

Für uns ist ein solcher Leerstand sehr attraktiv, da es sich meistens um grosse Flächen handelt – hier haben wir rund 4000 m2 Nutzfläche zu Verfügung. Für den Eigentümer bietet eine Zwischennutzung Vorteile, weil er sich während der Zeit bis zum Umbaubeginn nicht gross um seine Liegenschaft sorgen muss. Unsere Zwischennutzer arbeiten ja einfach in ihren Räumen – sie streichen höchstens mal eine Wand bunt oder schlagen einen Nagel ein. Was sie genau machen dürfen und was nicht, regeln wir im Zwischennutzungsvertrag detailliert. Damit ergibt sich eine win-win-Situation für alle: Die Jungunternehmer oder Künstler, die sich noch keine branchenüblichen Mieten leisten können, bekommen günstigen Arbeitsraum, der Eigentümer vermeidet, dass seine Immobilie leer steht.

Hier steht alles im Zeichen der Musik. Bild: jk

Habt Ihr Expansionsziele?
Für konkrete Expansionsziele ist es noch zu früh. Es ist aber sicher denkbar, das Projekt Interim auszuweiten. In jeder Schweizer Stadt gibt es Kunstschulen und Jungunternehmer. Wir halten jedenfalls die Augen und Ohren offen für weitere Zwischennutzungsmöglichkeiten, da wir hier nach rund einem Jahr wieder ausziehen müssen.

Büro mit Sicht auf den Park. Bild: jk

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Eigentümer, Ledermann Immobilien, der im Seefeld nicht nur einen guten Ruf geniesst?
Ein Mitglied des Beirats hat den Kontakt zu Ledermann Immobilien hergestellt. Aufgrund des guten Eindrucks, den Herr Ledermann sowie CEO Michael Müller von unserem Vorgängerprojekt an der Badenerstrasse hatten, stellten sie uns ihre Liegenschaft am Kirchenweg für eine Zwischennutzung zur Verfügung.
 
Für das Seefeld sind wir eine untypische «Mieterschaft» – Wir sind nicht mal Mieter, sondern eben Zwischennutzer. Durch Vertreter verschiedenster Tätigkeitsfelder bringen wir vielleicht ein neues Flair in das Quartier. Derzeit haben wir Grafiker, Architekten, bildende Künstler, Musiker und Szenografen sowie Wissenschaftler und Start-Ups – die den Ort hier bereichern können.

​Die Sechzigerjahre-Architektur wäre vor fünf bis zehn Jahren noch als «miefig» und ziemlich altbacken empfunden worden. Heute ist der Mid-Century-Stil am Puls der Zeit, ja gleichsam trendy. War das Absicht von Euch oder ist das Zufall?
Wir fanden das Haus von Anfang an toll! Man sieht mit Interim immer wieder andere Architektur, das ist spannend. Besonders charmant ist auch die Lage am Park mit dem Blick über die Stadt. Bei der ersten Besichtigung hatte ich einfach Angst, nie mehr rauszufinden, so ähnlich sehen sich die weitläufigen Korridore mit den Holzverkleidungen. Jenny Keller

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