Die Schatten der Immobilienwirtschaft

Susanna Koeberle
9. Oktober 2020
Judith Kakon, Detail aus «¤», Rückwand der Kunsthalle Basel, 2020 (Foto: Gina Folly, Kunsthalle Basel)

In Basel wird viel gebaut. Und bauen kostet. Doch obwohl die Kreisläufe von Geld unser System beherrschen, bleiben sie unsichtbar. Das kapitalistische System bildet eine Art Matrix, auf deren Oberfläche sich unser Leben abspielt, ohne dass wir in deren Tiefen eindringen können. Doch hier kommt die Kunst: Sie kann Systeme vielleicht nicht verändern, aber sie bietet einen Zugang zu Unzugänglichem, indem sie Denkbilder schafft. Auch die Arbeit von Judith Kakon, die bis nächsten August die Rückwand der Kunsthalle «ziert», lässt uns innehalten. Die graue Wand mit den metallenen Schriftzeichen fällt eigentlich kaum auf: Ein Farbton zwischen Maus- und Zementgrau, präsent auf den Bildschirmen eines jeden Smartphones oder PCs. Dieses Grau ist in unserem Leben allgegenwärtig. Es ist genau dieses Bildschirmgrau, das Judith Kakon als Hintergrund für ihr neues Kunstwerk mit dem Titel «¤» (ein typographisches Zeichen, das auf einen nicht spezifizierte Währung verweist) an der Rückwand der Kunsthalle Basel ausgewählt hat. 

Das Grau erinnert mich auch an die grauen Männer aus dem legendären Roman «Momo» (1973), den ich als Kind gierig verschlang. Diese Männer versuchen, die Menschen dazu zu bringen, Zeit zu sparen, um sie angeblich für später sicher und verzinst aufzubewahren. Sie bleiben bis heute eine gültige Metapher für unser kapitalistisches Zeitalter. Auf diesen unscheinbaren grauen Hintergrund platzierte die Künstlerin die Wörter Estate, Real, Trust, Prime, Game und Empire, alles Begriffe, die im Englischen häufig in Kombination erscheinen und die Welt der Finanzen und Immobilien beschreiben. Ganz am Ende der Wand, bevor eine Treppe zum Platz vor der Kunsthalle führt, ist auch die Zahl 2020 zu erkennen. Willkommen in der Gegenwart! Und in einer Zeit, die wie keine andere von Unsicherheiten und Fragen gezeichnet ist.

Judith Kakon vor ihrem Kunstwerk (Foto: Gina Folly, Kunsthalle Basel)

Jedes dieser Zeichen ist in einer Adaption einer Schriftart aus dem 15. Jahrhundert gestaltet und aus handgedrehtem Schmiedeisen gefertigt, das man auch von alten Zäunen kennt. Ein wenig erinnern die Stäbe auch an die Armierungseisen, die man bei Betonbauten benutzt. An einzelnen Buchstaben befestigt, befinden sich in Zellophan verpackte, welke Blumensträusse, wie man sie häufig auch auf Friedhöfen, etwa an Wänden mit Urnen, findet. Die Arrangements werden regelmässig gewechselt. Doch wer sind die Toten, deren man hier gedenkt? Die Blumen schaffen eine zusätzliche Bedeutungsebene, durch welche die Arbeit auf ganz direkte Art und Weise zu uns spricht. Gerade die Kombination von sprachlicher Ebene und Alltagssymbolik erzeugt einen anschaulichen Reflexionsraum. Dass die Arbeit von Kakon im öffentlichen Raum steht, ganz in der Nähe der Sitze einiger Immobilienfirmen, von Luxusläden und Banken, ist dabei nicht unbedeutend. Sie führt vor, wie unsere Lebenswelt von untrennbar miteinander verflochtenen Wirklichkeiten geprägt ist. Kunst bietet ein Narrativ für diese Verflechtung.

 

Judith Kakon, Detail aus «¤», Rückwand der Kunsthalle Basel, 2020 (Foto: Gina Folly, Kunsthalle Basel)

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