Öffnung in alle Richtungen

Elias Baumgarten
5. November 2019
Der neue MoMA-Eingang an der 53. Strasse (Foto: Brett Beyer, mit freundlicher Genehmigung von Diller Scofidio + Renfro)

Seit das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) 1939 an der 53. Strasse eröffnet wurde, ist das heute vielleicht bekannteste Kunstmuseum der Welt stetig gewachsen; mehrmals musste deshalb schon ausgebaut werden. Der neuste Erweiterungsbau, den die Architekturbüros Diller Scofidio + Renfro und Gensler entworfen haben, wurde am 21. Oktober eröffnet. Zuvor war bereits der Ostflügel des Museums renoviert worden. Die Ausstellungsfläche ist durch den Neubau um 15'300 Quadratmeter oder ein Drittel angewachsen. Für die Baumassnahme musste das altehrwürdige American Folk Art Museum (1963) von Tod Williams Billie Tsien Architects weichen und wurde – zum Entsetzen von Denkmalschützer*innen – abgebrochen. Der neue Gebäudeteil erstreckt sich auf dessen einstigem Grundstück und stellt eine Verbindung zum Wohnhochhaus «53W53» von Jean Nouvel her, in dessen unteren Etagen sich Galerieräume befinden. Neben neuen Ausstellungsräumen erhält das MoMA auch ein Kreativitätslabor, in dem sich Besucher*innen mit Kunst beschäftigen sollen, und ein Studio für Veranstaltungen und Performances. Die Verantwortlichen glauben, dass künftig jedes Jahr etwa 500'000 Besucher*innen mehr ins Museum strömen.

Im Erdgeschoss befinden sich Galerieräume, die kostenfrei für alle zugänglich sind. (Foto: John Hill)
Kritik aus der Architekturszene

Architektonisch überzeugt der Neubau nicht alle. Amerikanische Kritiker*innen halten den Bau aus Stahl und Glas für wenig progressiv, eigenschaftslos und kühl. Die New York Times schrieb beispielsweise polemisch, er habe das leicht seelenlose Ambiente eines Apple Stores – harte Worte. Zumindest aber spricht der Erweiterungsbau eher die Architektursprache der Moderne des 20. Jahrhunderts. Doch andererseits zeigt er sich offen. Den Architekt*innen ging es nämlich darum, eine «Brücke» zu bauen, wie es Elizabeth Diller ausdrückt. Es gibt daher im Erdgeschoss kostenfrei zugängliche Galerien, die die Kunst allen Menschen näherbringen sollen. Der abgesenkte Museumsshop und das neue Treppenhaus an der Westseite des Baus sind für Passant*innen vom Trottoir aus zur Gänze einsehbar. 

Der Museumsshop ist abgesenkt. Vom Trottoir aus ist er komplett einsehbar. (Foto: John Hill)
Foto: John Hill

Besser hingegen kommen die Änderungen am Ausstellungskonzept an; etliche Expert*innen äusserten sich bereits positiv – wie etwa die deutsche Künstlerin und Kunsthistorikerin Bärbel Küster gegenüber Deutschlandfunk Kultur. Anders als vormals werden die Besucher*innen nicht mehr nahezu chronologisch durch die moderne Kunstgeschichte geführt. Zwar bleibt eine grobe Struktur erhalten, doch kann und soll man künftig selbst entscheiden, welche Route man durch die 60 Galerien wählt. Dabei sind nunmehr einige Überraschungen eingebaut. So hängt neben Pablo Picassos «Mädchen von Avignon» das Bild einer afroamerikanischen Künstlerin aus den 1960er-Jahren, das eine rassistische Bluttat zeigt. Kurator Rajendra Roy meint dazu, man wolle klarmachen, dass moderne Kunst nicht nur von toten Männern europäischer Abstammung komme. Moderne Kunst sei global und betreffe alle Geschlechter. 

Kurz bevor das Publikum den Erweiterungsbau erstmalig erkundete, durfte unser Redakteur John Hill dort auf Fotosafari gehen. Er begleitete den bald fünf Jahre währenden Planungs- und Bauprozess außerdem mit zahlreichen Artikeln, die Sie auf World-Architects.com, unserer englischsprachigen Webseite, nachlesen können.

Der Übergang zwischen dem Neubau und den Räumlichkeiten im Hochhaus «53W53» (Foto: John Hill)

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