Schaufenster als Kunst im öffentlichen Raum

Susanna Koeberle
29. März 2021
Foto: Flavio Karrer für voile.studio

Die Welt sei voller Wunder, finden Sarah Kueng und Lovis Caputo – und diese Wunder zu erkennen und zu schätzen, gehe gerade angesichts der aktuellen Situation vergessen. Die beiden Designerinnen, die letztes Jahr den Grand Prix Design gewannen, meinen damit nicht nur die aktuelle Pandemie, sondern auch den Zustand der Welt an sich. Dem Auftrag von Globus, die Schaufenster für acht Schweizer Filialen zu gestalten, begegneten sie mit einer simplen Message: Die Menschen sollen beim Betrachten ihrer Installationen einfach mal staunen dürfen. Für die Gestaltung der Schaufenster erhielten die Designerinnen Carte blanche, einziges Briefing war, dass kein Produkt von Globus im Schaufenster zu sehen sein sollte – produktlastig ist unsere Welt ja schon genug. Das ist durchaus ein mutiges Statement für ein Unternehmen, das vom Verkauf von Waren lebt. 

Sarah Kueng im Atelier (Foto: Flavio Karrer für voile.studio)

Das Interesse für das Räumliche zeigt sich in der Arbeit von Kueng Caputo immer stärker. Klassische Produktdesignerinnen sind sie definitiv nicht, viel zu divers und künstlerisch ist ihre Arbeitsweise dafür. Auch als sie letztes Jahr anlässlich des Alternativprogramms der Swiss Design Awards den Architekten Peter Zumthor zum Gespräch einluden, zeigte sich, wie stark räumliches und konzeptionelles Denken ihre Arbeitsweise prägt. Der Austausch zwischen dem Pritzker-Preisträger und den beiden Künstlerinnen (denn das wäre sicher die treffendere Bezeichnung für ihr Tun) war ein Dialog auf Augenhöhe, bei dem die gegenseitige Neugierde für die jeweilige Haltung und das daraus resultierende Handeln im Vordergrund stand. Zu gestalten heisst für sie auch, eine Haltung zu haben. Einfach nur schöne Dinge zu machen, interessiert sie nicht.

Lovis Caputo und Sarah Kueng haben lange mit dem Werkstoff Gummigranulat experimentiert. (Foto: Flavio Karrer für voile.studio)

Angenommen hätten sie den Auftrag von Globus auch wegen ihrem grossen Interesse an der Gestaltung des öffentlichen Raumes, sagen sie im Gespräch. Wichtig war ihnen zudem, dass die 50 Schaufenster nach dem Abbau nicht 50 Tonnen Abfall produzieren. Das farbige Granulat, das sie für ein Motiv verwenden, soll später zu Teppichen weiterverarbeitet werden – die dann bei Globus auch käuflich zu erwerben sind. Wie man Alltagsgegenstände anders einsetzen kann, war ein Leitmotiv beim Entwurf für die Schaufenstersujets. So entsteht etwa aus Ventilatoren und Sonnenschirmen eine bewegte, fast lebendige Landschaft. Obwohl die Hauptsujets gleich bleiben, ist jedes Schaufenster ein Unikat, was für den Aufbau eine regelrechte «Tour de Suisse» notwendig machte. Nun sind die Schaufenster eingerichtet und zaubern Passant*innen ein Lächeln ins Gesicht.

Noch ein Vorteil hat das Format des Schaufensters: Man kann sich daran erfreuen, auch ohne etwas kaufen zu müssen. Und Lockdown-sicher ist es auch noch. Vielleicht könnte diese Aktion auch dazu anregen, über ein anderes Problem nachzudenken. Nämlich, wie man all die frei werdenden Schaufenster in den Innenstädten, die aufgrund einer Verlagerung der Kaufaktivität ins Netz entstehen, anders nutzen könnte. Als Orte für öffentlich zugängliche künstlerische Interventionen, wie sie Kueng Caputo jetzt ersonnen haben. 

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