Innovative Mobilitätslösungen

Juho Nyberg
12. febbraio 2014
Kollision im Gleisbereich? Nein - die Lancierung von Züri Mobil 1995. Bild: mobility.ch

Bauherren und Hausbesitzerinnen haben in den letzten Jahrzehnten einen starken Bewusstseinswandel durchgemacht. Das hierzulande 1994 entstandene Minergie-Label ist bestes Beispiel dafür: derzeit listet die Webseite knapp 33'000 zertifizierte Objekte auf. Der Erfolg lässt sich daran messen, dass viele Überbauungen mit dem Label Werbung machen und Einfamilienhausbesitzer in Villenquartieren stolz die Minergie-Plakette an ihrem Gartenzaun befestigen. Auch Holzbauten sind in der breiten Masse angekommen und uns umgeben wohl mehr Gebäude aus Holz, als auf den ersten Blick erkennbar ist.

Eine ähnliche Entwicklung könnte im Bereich der individuellen Mobilität anstehen. Die Attraktivität von Städten als Wohn- und Arbeitsort, gelegentlich übergeordnete Planung (wie etwa in Lausanne-Ouest, mit dem Wakker-Preis 2011 ausgezeichnet) lassen Metropolitanräume entstehen, kompakte Zonen, in denen das meiste zu Fuss oder mit dem Velo erreichbar ist. Ein Auto, zumindest ein eigenes, ist hier nicht notwendig. Wer sich heute durch sein Fahrzeug darstellen will, wählt häufig ein kleines, sparsames Auto oder sogar ein Elektromobil. Anderen reicht die Möglichkeit, ein Fahrzeug bei Bedarf zu benutzen anstatt eines zu besitzen.

Carsharing entwickelt sich
Fast ebenso alt wie das Minergie-Label ist die Genossenschaft Mobility, die das Carsharing seit 1997 erfolgreich in der Schweiz betreibt. Hervorgegangen ist sie aus zwei Unternehmen, die gar zehn Jahre früher gegründet worden waren. Die Fahrzeuge sind häufig in der Nähe von Bahnhöfen oder an anderen strategischen Orten positioniert. Die Nähe zum öffentlichen Verkehr (ÖV) manifestiert sich auch in Kombiabonnementen, wie sie etwa in der Region Zürich mit dem ZVV angeboten werden. Wurden bisher die Standorte durch Mobility evaluiert, also gewissermassen auf der Basis der (angenommenen) Nachfrage entschieden, wo ein Fahrzeug steht, ist seit kurzem auch ein umgekehrtes Modell im Angebot: Unter dem Namen «mobility@home» bietet die Genossenschaft Bauherren und Eigentümern von Wohnüberbauungen an, Fahrzeuge als Teil der Wohnanlage zu sehen und diese direkt vor der Türe zu platzieren.

Über 700 Wohnungen in Zürich-Süd: Sihl-Papier-Areal in der Manegg. Bild: zvg

Urbaner Kontext
Auf dem ehemaligen Sihlpapier-Areal in Zürich Manegg entsteht derzeit die Überbauung Greencity. Noch vor vier Jahren wurde das Areal als eine der letzten, oder gar als die letzte grosse Brache in der Stadt Zürich gehandelt. Nun, seit letzter Woche wissen wir, dass es doch auch noch ein paar andere gibt, etwa in Leutschenbach. Dennoch entsteht hier auf Stadtgebiet ein sehr grosses Projekt mit vielfältigen Nutzungen. Zu den 77'000 Quadratmetern Wohnfläche gesellen sich Büro- und Gewerbeflächen sowie Platz für Schulen, insgesamt werden 39'000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstehen. Es könnte also am Südende der Stadt tatsächlich ein fast autarkes Quartier wachsen, dessen Angebote so vielfältig sind, dass Alltägliches in kurzer Laufdistanz zu erledigen ist. Für weitere Wege befindet sich praktischerweise bereits eine S-Bahn-Haltestelle direkt vor der Haustür, die Fahrzeit zum Zürcher Hauptbahnhof liegt unter einer Viertelstunde.

Die 77'000 Quadratmeter Wohnfläche werden ungefähr je zu einem Drittel genossenschaftlich sowie als Miet- und Eigentumswohnungen erstellt und vermarktet. Ein ähnlich vielfältiges Angebot ist auch für die Mobilität geplant. Ausgehend von einem Quotienten von 0.7 Parkplätzen/Wohnung bei den Mietwohnungen und sogar einem noch tieferen bei den Genossenschaftswohnungen, soll das geteilte Automobil eine zentrale Rolle einnehmen. Dabei sind nach Auskunft von Jürgen Friedrichs, Leiter Raumentwicklung REgion Nordostschweiz, von der Losinger Marazzi AG sowohl konventionelle Mobility-Plätze geplant (deren genaue Anzahl noch nicht festgelegt ist und sich auf Berechnungen des Anbieters stützen wird) als auch einige des neuen @home-Modells, mit der oben beschriebenen Gutschrift. Letzteres ist sowohl für die Eigentums- wie auch für die konventionellen Mietwohnungen in Planung. Von den geplanten Parkplätzen sind 10 Prozent für Elektrofahrzeuge reserviert und mit Ladestationen ausgestattet. Sollten sie, wie von einigen bereits realisierten Standorten bekannt, mit einer auffällig anderen Farbe markiert werden, wirken sie gleichzeitig auch als Werbefläche für den e-Verkehr. Abgerundet wird das Mobilitätskonzept schliesslich von einem Veloverleih-Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich entwickelt wird.

Mobilitätskonzept: Velo und Tretauto in der Töpferei Embrach. Bild: zvg

Töpferei Embrach
Doch nicht nur im urbanen Kontext lassen sich solche Projekte verwirklichen: In Embrach entsteht derzeit die Überbauung «Töpferei Embrach» mit 75 Eigentumswohnungen – und einem Mobilitätskonzept. Für die Eigentümer stehen ebenso viele Parkplätze wie Wohnungen zur Verfügung, für die Besucher sollen fünf Parkplätze reichen. Darüber hinaus jedoch bietet die Siedlung zusammen mit dem Elektromobilanbieter m-way zwei e-Autos und vier e-Velos an, Ladestationen für die Fahrzeuge stehen auch hier vor Ort zur Verfügung. Die Nähe zum Bahnhof soll zur vermehrten Nutzung des ÖV animieren, dazu befindet sich beim Bahnhof – wie bei so manchem – ein Mobility-Standort.

Erhöht eine solche Lage mit vielfältigen Mobilitätsangeboten denn tatsächlich die Attraktivität der Wohnungen, wie Mobility sagt? Nach Einschätzung der Verantwortlichen der Töpferei kann man in einem urbanen Kontext durchaus davon ausgehen. In ländlichen Regionen besitzt das eigene Auto jedoch weiterhin einen anderen, höheren Stellenwert. Stärker als auf ein Carsharing-Angebot wird hier auf den Preis und den Zuschnitt der Wohnung geachtet. Dennoch sind die Projektentwickler der Ansicht, dass auch die ländliche Bevölkerung für solche Modelle zu gewinnen ist, einfach auf längere Sicht. Ebenso hängt die Entwicklung vom weiteren Ausbau des ÖV ab – und wohl auch davon, ob und wie attraktiv die Preisgestaltung desselben gegenüber eines eigenen Autos ist.

Zielgruppen für Siedlungen mit Mobilitätskonzepten sind die «jungen Grünen», die jedoch nach Erkenntnis der Entwickler der Töpferei Embrach ebenfalls eher in einem urbanen Umfeld anzutreffen sind. Daher hat sich eine «natürliche Zielpublikumsverschiebung» hin zu älteren Menschen ergeben, die nicht mehr auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen sind. Es scheint, als komme Bewegung in diese neue Diskussion und dass sie immer breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen und zu überzeugen vermöge.

Anbieter von Mobilitätslösungen
mobility carsharing
m-way

Im Artikel erwähnte Projekte
Greencity, Zürich
Töpferei Embrach

Articoli relazionati

Progetto in primo piano

atelier a und b ag

Martiweg

Altri articoli in questa categoria