Geld oder Leben!

Juho Nyberg
19. 4月 2021
Vermeidbare Katastrophe: Der Hersteller wusste um die Gefährlichkeit der Fassadenelemente am Grenfell Tower. (Screenshot: Juho Nyberg, Quelle: SkyNews-Beitrag, «Grenfell: The Fire of London»)

Wir haben bereits mehrfach über den verheerenden Brand im Londoner Grenfell Tower berichtet. Inzwischen läuft die Aufarbeitung der Katastrophe von 2017. Es steht die Frage im Raum, wer die Verantwortung trägt. Unlängst sind dabei neue Tatsachen ans Licht gekommen, die offenbaren, dass wirtschaftliche Interessen stärker gewogen haben als seriöse Sicherheitsbedenken. Dem Vertreiber der Fassadenpaneele war bereits nicht weniger als zehn Jahre vor dem Unglück das Gefahrenpotenzial solcher Elemente bekannt: Ein leitender Angestellter der Firma Arconic hatte im Jahr 2007 an einem Seminar in Norwegen teilgenommen, im Zuge dessen die Brandgefahr und auch die Verantwortlichkeiten diskutiert wurde. Aufgeschreckt vom Gehörten, verfasste er ein Memorandum, in dem er auf die Gefahren hinwies und sogar eine erste Schätzung von 60 bis 70 Todesopfern im Falle des Brandes eines Wohnhochhauses aufstellte. Im Grenfell Tower liessen 72 Menschen ihr Leben in den Flammen.

Eine Möglichkeit wäre gewesen, anstelle der gefährlichen Paneele nur noch solche mit einem feuerhemmenden Kern zu vertreiben. Dies wurde jedoch nicht umgesetzt. Zwar wurden entsprechende Produkte entwickelt, der Vertrieb der alten ging aber unvermindert weiter. Im Jahr 2011 warnte der Hersteller einen spanischen Kunden vor dem Kauf der gefährlichen Produkte wegen der tiefen Feuerwiderstandsklasse E – was gemäss der Aussagen des Kunden «nahe an der Selbstentzündung» liege. Dennoch gelangten die Bauteile in England zum Einsatz – auf der Grundlage eines britischen Brandschutzzertifikats, das nahelegte, dass die Materialien mit B bewertet waren. Das Zertifikat bezog sich jedoch tatsächlich auf ein ähnliches Produkt des selben Herstellers.

Etwa zur gleichen Zeit als die Bestellung für die Paneele des Grenfell Towers bearbeitet wurde, tauschten Führungskräfte des Lieferanten technische Berichte aus, die über zehn Hochhausbrände in verschiedenen Teilen der Welt mit ähnlichen Verkleidungspaneelen dokumentierten und vor den Gefahren warnten. Unter anderem wurde ein Fassadenbrand im Lacrosse-Gebäude in Melbourne aus dem Jahr 2014 aufgeführt, bei dem das Feuer in nur 15 Minuten vom achten bis zum 21. Stockwerk emporwuchs und auf jeder Etage in die Räume vordrang. Ein Brandverlauf, der jenem in London auf verhängnisvolle Weise ähnelt.

Bemerkungen der Empfänger machen deutlich, dass die Gefahr offensichtlich und für alle klar erkennbar war: Nach einem weiteren dokumentierten Fall im Januar 2016 – diesmal ging es um einen Brand in Dubai – schrieb einer der Zuständigen: «Ich hoffe, dass PE [der eingesetzte Dämmstoff] nach und nach aus der Fassadenverkleidung ausgeschlossen wird.» 

17 Monate nach dem Versand dieser Berichte brannte der Grenfell Tower in London.

In nur 25 Minuten breitete sich das Feuer über 23 von 25 Stockwerken aus. (Screenshot: Juho Nyberg, Quelle: SkyNews-Bericht «Grenfell: The Fire of London»)

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