Die Feuerwache im Dorfzentrum

moos. giuliani. herrmann. architekten.
23. November 2023
Der Holzbau ist umweltfreundlich und mit seinem Nutzungsmix sozial nachhaltig. Die Form des Baukörpers und die Aufteilung der Fahrzeughalle ermöglichen eine effiziente Nutzung des Vorplatzes. Die Abläufe sind im Ernstfall reibungslos und schnell. (Foto: Kaspar Thalmann)
Herr Moos, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Mit einem knappen Bauplatz zwischen zwei Kernzonen und in direkter Nachbarschaft der für die Küsnachter Bevölkerung als Freiraum wichtigen Zwingli-Wiese waren die Themen schon beim Studienauftrag im Jahr 2018 gesetzt. Das Gebäude sollte sich gut in die ortsbauliche Situation einpassen und auf kleiner Fläche optimale Funktionsabläufe für die Feuerwehr sicherstellen. Beides konnte durch die winkelförmige Grundform erreicht werden. 

Die Aufteilung der Fahrzeughalle ermöglicht eine effiziente Nutzung des Vorplatzes. Der Gebäudeschenkel zur Strasse hin sorgt dafür, dass einrückende Feuerwehrpersonen und abfahrende Einsatzfahrzeuge sich nicht ins Gehege kommen. Die Einrückungswege sind minimiert, die Abläufe reibungslos und schnell. 

Blick in die Fahrzeughalle (Foto: Kaspar Thalmann)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Die beschriebene Disposition ermöglicht eine gute Einordnung in den Kontext. Zur Zwingli-Wiese ist der Baukörper niedrig und schafft nicht zuletzt dank seines weit auskragenden Vordachs einen sanften Übergang zur Landschaft. Auf der anderen Seite, also zur Alten Landstrasse hin, ist das Volumen gegliedert und passt sich auch aufgrund der an alte Feuerwehrscheunen erinnernden Architektursprache gut in den Ortskern ein. 

Eine ausführliche Farbanalyse der umliegenden Bauten der Kernzone war die Grundlage für die von uns gewählte Farbgebung. Diese ist eine Weiterentwicklung gegenüber dem Studienauftrag, bei dem wir die Holzfassade noch unbehandelt dargestellt hatten. Die gewählte Farbkombination war Ende des 19. Jahrhunderts bei Holzbauten öfters anzutreffen, so zum Beispiel bei der «Alten Reithalle» in Winterthur. 

Ein weiteres Anliegen war uns beim Entwurf, das Depot als öffentliches Gebäude wahrnehmbar zu machen. Mit der Dachkrone, dem Aufbau über dem Hauptdach, konnten wir einerseits die Wohnnutzung zurückhalten integrieren und andererseits den grossen Fachwerkträger, der die Halle in Längsrichtung überspannt, gut einbinden.

Die Halle wird von grossen Fachwerkträgern überspannt. (Foto: Kaspar Thalmann)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Ein so rundes Werk zu planen, bei dem die Funktionsabläufe exakt den Bedürfnissen entsprechen, war nur dank der engen Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den Endnutzern möglich. Aber vor allem braucht es eine offene und interessierte Bauherrschaft, die sich den aktuellen Themen stellt und bereit ist, auf der Basis von konstruktiven Diskussionen weitsichtige Entscheide zu treffen.

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Unser Büro setzt sich seit Jahren mit dem heute populären Transformieren und Weiterbauen auseinander. Wir haben im Jahr 2020 ein gleichnamiges Buch herausgegeben, in dem wir unsere Erfahrungen und Erkenntnisse zu dieser Architekturaufgabe in Form von fünf Rezepten und anhand von ausgewählten Bauten dokumentiert haben. Das Bauen im historischen Kontext, wie dies in Küsnacht der Fall war, ist auch eine Art des Weiterbauens. Es sind ähnliche Themen und Kriterien zu berücksichtigen. Insofern ist das Feuerwehrgebäude ein wunderbares Beispiel für unsere Themen und verdeutlicht unsere Haltung.

In einem Aufbau über dem Hauptdach sind Alterswohnungen untergebracht. (Foto: Kaspar Thalmann)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Ein nachhaltiges Gebäude zu bauen, war von Beginn an ein wichtiges Anliegen. Dies wurde mit verschiedenen Massnahmen erreicht: Die Konstruktion wurde unter dem Aspekt der Suffizienz entwickelt. Das bedeutet, dass die Materialwahl der Bauteile auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt ist. Beispielsweise wurden die Zwischendecken in Beton ausgeführt, um so auf einfachste Art den Brandschutz zu gewährleisten. Der Aspekt der Entflechtung von Bauteilen unterschiedlicher Lebensdauer war ausschlaggebend dafür, dass die Gebäudetechnik sichtbar und damit revidier- und ersetzbar installiert wurde. Und zu guter Letzt wurde mit der Holzkonstruktion aus Küsnachter Holz ein äusserst nachhaltiger Baustoff verbaut. Neben dem geringen Verbrauch an grauer Energie fällt auch die Energiebilanz im Betrieb gut aus: Mit den auf allen Dachflächen installierten Photovoltaikpaneelen wird wesentlich mehr Energie produziert, als das Gebäude verbraucht.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Das Holz aus dem Küsnachter Wald.

Montage der vorgefertigten Fachwerkträger; Kaspar Thalmann hat den Bauprozess mit seiner Kamera festgehalten. Seine Aufnahmen wurden in einer Broschüre veröffentlicht. (Foto: Kaspar Thalmann)
Grundriss Erdgeschoss (© moos. giuliani. herrmann. architekten.)
Grundriss Zwischengeschoss mit Büros (© moos. giuliani. herrmann. architekten.)
Grundriss Dachgeschoss mit Wohnungen (© moos. giuliani. herrmann. architekten.)
Schnitt (© moos. giuliani. herrmann. architekten.)
Bauwerk
Neubau Feuerwehrgebäude Küsnacht
 
Standort
Alte Landstrasse 139, 8700 Küsnacht
 
Nutzung
Feuerwehrgebäude mit Alterswohnungen
 
Auftragsart
Studienauftrag
 
Bauherrschaft
Gemeinde Küsnacht
 
Architektur
moos. giuliani. herrmann. architekten., Andelfingen und Uster
Patrick Habegger, Simone Rampa, Marc Moser, Christoph Schneider, Jan Solenthaler, Christian Herrmann und Roger Moos
 
Fachplaner
Bauingenieur: HKP Bauingenieure AG, Zürich
Holzbauingenieur: Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See
Elektroingenieur: Edelmann Ingenieurbüro AG, Thalheim
HLK-Ingenieur: Andreas Müller GmbH, Seuzach
Sanitäringenieur: Hunziker & Urban Haustechnik AG, Zürich 
Landschaftsarchitekt: Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau
Bauphysik: Herrmann Partner AG, Andelfingen
Brandschutzplaner: 4 Management 2 Security GmbH, Zürich 
Signaletik und Fotografie, KASPARTHALMANN AG, Uster
Schadstoffuntersuchung: AllGeol AG, Winterthur
 
Bauleitung 
PBM, Planungs- und Baumanagement AG, Zürich
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 12.0 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2 
CHF 8.7 Mio. (mit Honoraren 10.4 Mio.)
 
Gebäudevolumen
12'700 m3 (gemäss SIA 416)
 
Kubikmeterpreis
870 CHF/m3 (mit Honoraren)
 
Kunst am Bau 
Es wurde keine Kunst am Bau umgesetzt. Stattdessen wurde beschlossen, eine fotografische Dokumentation des Baufortschritts vom Fotografen Kaspar Thalmann erstellen zu lassen, die als Broschüre gedruckt wurde.
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Baumeister: Spleiss AG Bauunternehmung, Küsnacht
Holzbau: Egli Zimmerei AG, Oberhelfenschwil
Fenster: Gawo Gasser AG, Wolhusen
Tore: Stawin AG, Pfungen
Elektro: Schibli AG Hans K., Küsnacht
Schreinerarbeiten: Walter Widmer Schreinerei AG, Küsnacht
Umgebungsarbeiten: Käser Gartenbau AG, Männedorf
 
Fotos
Kaspar Thalmann

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