Orte der Geborgenheit

Burkard Meyer Architekten
7. Dezember 2023
Die beiden Neubauten ergänzen den bestehenden Campus der Psychiatrie Baselland in Liestal. (Foto: Roger Frei)
Herr Dufner, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Eine grosse Herausforderung stellt beim Bau einer psychiatrischen Institution – wie übrigens bei allen Gesundheitsbauten – die Synthese zwischen den räumlich-atmosphärischen Ansprüchen und den hochfunktionalen betrieblichen Abläufen dar. Während für die stationären Patient*innen das Gebäude ein temporärer Wohnort ist und ihnen Geborgenheit und Zuversicht vermitteln soll, gilt es gleichzeitig, für das Personal ein Umfeld zu schaffen, in dem die Pflegenden effizient ihrer anspruchsvollen Tätigkeit nachgehen können.

Die gewählte Typologie soll dies umsetzen. Mit jeweils dreiflügligen Gebäudekörpern, bei denen je zwei Flügel durch Innenhöfe gegliedert werden, übersetzt unser Entwurf diese Ansprüche in eine Raumfigur, die sowohl funktional als auch räumlich Subidentitäten schafft. So können die jeweils zwei Wohngruppen auf einem Geschoss separiert werden, genauso wie der Flügel mit den Arbeits- und Besprechungsräumen den anderen Nutzeinheiten zugeordnet oder von ihnen entkoppelt werden kann. Diese robuste Grundanlage hat es uns ermöglicht, die in den beiden Gebäuden leicht unterschiedlichen Anforderungen angepasst umzusetzen und zugleich die Klarheit der Grundkonzeption beizubehalten.

Das neue Gebäudeensemble umfasst das Haus Frenke und das Haus Galms, die einander direkt gegenüberliegen. (Foto: Roger Frei)
Die Fassade des Hauses Galms prägen Betonvordächer und umlaufende Fensterbänder in Grün und Rot. (Foto: Roger Frei)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der Ort ist sowohl in seiner bestehenden baulichen als auch in seiner landschaftlich-topografischen Prägung anspruchsvoll und hat uns vor allem in der Konzepterarbeitung einiges abverlangt. Dabei überlagern sich zwei Themen: Zum einen war mit der spezifischen Situation der beiden Neubauten am Rande des Campus am Übergang zum topografisch kraftvollen Landschaftsraum geschickt umzugehen, zum anderen musste aber auch der Anschluss an den Hauptbau aus den 1970er-Jahren überzeugend gelöst werden.

Diese Bedingungen prägen von der Setzung in Grundriss und Schnitt über die Typologie bis hin zum architektonischen Ausdruck die Bauten. So übernimmt das Haus Frenke (Krisenintervention) die Logik von Sockel und Aufbau des Bestandsbaus aus den 1970er-Jahren. Demgegenüber steht das Haus Galms (Alterspsychiatrie) als Solitär jenseits der Strasse und bildet den Abschluss des Campus zur Landschaft.

Die Positionierung der Lichthöfe erlaubt jeweils den Blick quer durch das gesamte Stockwerk. (Foto: Roger Frei)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Gewünscht war von der Bauherrschaft eine Konzentration der Angebote. In den neuen Gebäuden wird eine moderne, patientenorientierte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung ermöglicht. Die Bauten schaffen eine effiziente und wirtschaftliche Infrastruktur, um optimale Behandlungs- und Arbeitsabläufe zu gewährleisten, hohe Betriebskosten zu vermeiden und im Wettbewerb der Psychiatrien bestehen zu können. Die Abteilungen sind sehr flexibel gestaltet, sodass wechselnde Belegungen und viele verschiedene therapeutische Nutzungen möglich sind. Eine hohe städtebauliche, landschaftliche und architektonische Qualität macht die Neubauten zu Identifikationsobjekten.

Die bepflanzten Innenhöfe bringen Tageslicht ins Gebäudeinnere. (Foto: Roger Frei)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Die architektonische Gestaltung von Gesundheitsbauten folgt heute in zunehmendem Masse den Grundsätzen der Healing Architecture. Obwohl die Anwendung einer evidenzbasierten Farb- und Materialwahl bei den Neubauten nicht explizit gefordert war, haben wir uns in der Bearbeitung diesen Themen doch intuitiv angenommen. So trägt die klare räumliche Gliederung genauso zum Wohlbefinden der Patient*innen bei wie die vielfältigen Sichtbezüge zur domestizierten Natur der Innenhöfe und zur nahen Waldlandschaft. Zusammen mit der fein abgestuften Farbgestaltung der Decken und Wände sowie der Möblierung entsteht ein Gefühl der Wohnlichkeit und Geborgenheit. Eine besondere Qualität bieten dabei die Loggien in den Gebäudeecken, in denen sich das Innere des Hauses mit dem Äusseren der Natur verwebt.

Erker an den Gebäudeecken dienen als einladende Aufenthaltsräume. (Foto: Roger Frei)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Den Erfolg macht weniger ein Material oder besonderes Bauprodukt aus, als vielmehr die Kombination bewährter Elemente, die durch ihre expressive tektonische Gliederung den Bauten eine unverwechselbare Anmut verleihen. So sind die Fassaden geprägt durch Betonvordächer, die die Horizontale betonen, sowie von umlaufenden Fensterbändern in Grün und Rot. Das Prinzip der Schichtung verschafft den Häusern eine räumliche Tiefe, die den Patientenzimmern trotz der grossen Fenster eine Atmosphäre der Geborgenheit verleiht. Der Innenausbau ist ein Spiel mit unterschiedlichen Materialien, Oberflächen und Farben – und von grosser Bedeutung für die Schaffung eines wohnlichen Klimas. Ein individuelles Material- und Farbkonzept prägt jedes Geschoss. Uns als Architekten war es wichtig, für die Patient*innen während ihrer Zeit der Beeinträchtigung einen Ort der Geborgenheit und der Sicherheit zu schaffen.

Situation (© Burkard Meyer Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Burkard Meyer Architekten)
Grundriss Regelgeschoss (© Burkard Meyer Architekten)
Bauwerk
Neubauten Psychiatrie Baselland (PBL) 
 
Standort
Bienentalstrasse 7, 4410 Liestal
 
Nutzung
Klinik
 
Auftragsart
Projektwettbewerb 2017, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Psychiatrie Baselland, Liestal
 
Architektur
Burkard Meyer Architekten BSA, Baden
Projektteam Wettbewerb: Oliver Dufner, Daniel Krieg, Adrian Meyer mit Florian Baumgartner und Dominic Spalt
Projektteam Planung: Andreas Signer, Urs Riniker, Tobias Burger, Thomas Wernli, Adrian Roesli, Franziska Hellstern, Ashana Staubli, Mathias Vogel, Eleni Giakoumaki, David Schuler, Werner Knecht und Micha Ayfer
 
Fachplaner
Landschaftsarchitekt: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich
Bauingenieur: Jauslin Stebler AG, Rheinfelden
HLKS-Planer: Kalt + Halbeisen Ingenieurbüro AG, Basel
Elektroplaner: Bering AG, Bern
MSRL-Planung: Boxler Engineering AG, Rapperswil-Jona
Bauphysik und Akustik: Ehrsam Beurret Partner AG, Pratteln
Sicherheitsplanung: Siplan AG, Bern
Werkleitungsplanung: HWS Ingenieurbüro AG, Sissach
Fassadenplanung: Mebatech AG, Baden
 
Örtliche Bauleitung
ffbk Architekten AG, Basel
 
Jahr der Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 68.8 Mio. 
(Haus F: CHF 28 Mio. und Haus G: CHF 40.8 Mio.)
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 49.4 Mio
(Haus F: CHF 20.5 Mio. und Haus G: 28.9 Mio.)
 
Gebäudevolumen
Haus F:  41'437 m3
Haus G: 39'597 m3
 
Kubikmeterpreis
610 CHF/m3 (BKP2)
 
Energiestandard 
Minergiestandard ohne Zertifizierung
 
Fotos
Roger Frei, Zürich

Verwandte Artikel

Vorgestelltes Projekt

EBP AG / Lichtarchitektur

Schulanlage Walka Zermatt

Andere Artikel in dieser Kategorie