Qualitätsvolles Handwerk statt Repräsentationsarchitektur

akkurat bauatelier
2. November 2023
Die Zugangsfassade der neuen Bank gliedert sich in ein Sockelgeschoss in Sichtbeton und zwei Obergeschosse in Lärche. (Foto: David Bühler)
Herr Reutimann, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Zunächst einmal fragten wir uns: Wie soll eine Bank an diesem Ort aussehen? Wie soll eine Bank heute überhaupt aussehen? Viele Bilder von Gebäuden mit einem hohen Repräsentationsgrad, die einem dabei spontan in den Sinn kommen, sind heute nicht mehr zeitgemäss.

Den Anstoss zu dem Projekt gab die Umstellung des Bankenwesens von Schalterdienstleistungen zu Beraterbanken. Es gibt also keine räumliche Trennung zwischen Kundschaft und Bankmitarbeiter*innen mehr, sondern im Gegenteil eine gewollte Durchmischung. Für die Architektur bedeutet das, dass wohnliche Nischen, Beratungsräume und Möglichkeiten zur Selbstbedienung gefragt sind, statt Abtrennungen aus Panzerglas.

Im selben Zug wurden in Frutigen Nutzungen, die auf mehrere Gebäude und Provisorien verteilt waren, unter einem Dach konzentriert.

Blick auf ein Detail des Sockelgeschosses; eine öffentliche Treppe verbindet die beiden Umgebungsniveaus. (Foto: David Bühler)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Ein wichtiger Teilaspekt der Aufgabe war für uns die Frage, wie eine Bank heute, in diesem Kontext und an diesem Ort erscheinen soll. Wir entschieden uns für folgenden Ansatz: Solid und nahbar. Wir wollten hochwertig bauen, aber eine repräsentative Wirkung sollte sich einzig durch höchste Handwerksqualität einstellen. Denn so kann ein würdiger und angemessener Ausdruck entstehen – ohne Massstabsverzerrung, aber auch ohne Imitation.

Bilder von traditioneller Holzarchitektur der Region und von Dienstleistungsgebäuden aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben uns bei der Projektierung begleitet.

Der Empfangsbereich im Erdgeschoss (Foto: David Bühler)
Offene Besprechungsnische (Foto: David Bühler)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Unser Perimeter liegt zwischen zwei Strassen und ebenso zwischen zwei Zugangsebenen mit rund einem Geschoss Versatz. Eine öffentliche Wegverbindung der beiden Niveaus führt am Neubau vorbei und musste in die Gestaltung der Terrainanschlüsse und der umgebenden Aussenräume einbezogen werden. Gemeinsam mit den Landschaftsarchitekt*innen von extrā gelang es, all diese Gegebenheiten im Projekt in eine einfache, aber reichhaltige neue Situation zu übersetzen.

Die Büros im 1. Obergeschoss erhalten durch die Verwendung von Holz eine behagliche Atmosphäre. (Foto: David Bühler)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Raiffeisenbank berücksichtigt bei der Auftragsvergabe vor allem lokale Handwerker. So ist eine Nähe zwischen allen Projektbeteiligten gegeben. In unserem Fall hat dies zu einer starken Identifikation mit dem Bauwerk geführt und zum gemeinsamen Willen, ein würdiges Gebäude entstehen zu lassen. Das hat entscheidend zum Gelingen des Projekts beigetragen.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Während der Bearbeitungsphase des Studienauftrags fand die Entwicklung des Entwurfs statt, danach hat das Projekt praktisch keine grösseren Änderungen mehr erfahren. Die Flexibilität des Grundrisses wurde während der Projektierung zum ersten Mal auf die Probe gestellt und konnte sich dabei bewähren.

Der Treppenkern ist in Sichtbeton ausgeführt. (Foto: David Bühler)
Situation (© akkurat bauatelier)
Grundriss 1. Obergeschoss (© akkurat bauatelier)
Schnitt (© akkurat bauatelier)
Bauwerk
Raiffeisenbank Frutigen
 
Standort
Vordorfgasse 1, 3714 Frutigen
 
Nutzung
Bank
 
Auftragsart
Studienauftrag, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Raiffeisenbank Frutigland, Frutigen
 
Architektur
akkurat bauatelier, Thun
 
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: extrā Landschaftsarchitekten AG, Bern
Bauingenieur: Ramu Ingenieure AG, Frutigen
Holzbauingenieur: Martin Rösti Ingenieure GmbH, Frutigen
Elektroingenieur: Markus Moser AG, Frutigen
HLKS-Ingenieur: Energieschmiede GmbH, Reichenbach im Kandertal
 
Bauleitung 
Andreas Mürner Architekten GmbH, Frutigen
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 7.5 Mio.
 
Gebäudevolumen
3617 m3 (gemäss SIA 416)
 
Fotos
David Bühler

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