Wie Architektur bei der Genesung hilft

Elias Baumgarten
20. Juni 2024
Die Schau «Das Kranke(n)haus» wurde vom Architekturmuseum der TU München entwickelt und ist zurzeit in Dornbirn zu sehen. (Foto: Darko Todorovic)

Muffige Gänge, düstere Zimmer, in der Cafeteria Plastikstühle und billiger Automatenkaffee – Krankenhäuser sind auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit getrimmte Maschinen, auch in architektonischer Hinsicht. Weder die Arbeitsbedingungen von Pflegern und Ärztinnen spielen dabei eine grosse Rolle noch die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten. – Bisher, denn ausgehend von Nordamerika setzt sich mehr und mehr auch im deutschen Sprachraum die Erkenntnis durch, dass Architektur die Heilung unterstützen kann. Allerdings: Noch finden wir sogenannte «Healing Architecture» nur bei wenigen lobenswerten Einzelprojekten. Den Umdenkprozess beschleunigen möchte das Vorarlberger Architektur Institut (vai): Dort ist noch bis zum 7. September die vom Architekturmuseum der TU München entwickelte Ausstellung «Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft» zu sehen. 

Die Ausstellungsgestaltung ist räumlicher als zuletzt bei «Refuse, Reduce, Re-use, Recycle, Rot» und nutzt die Örtlichkeiten in Dornbirn gut. (Foto: Darko Todorovic)

Die von Tanja C. Vollmer, Andres Lepik und Lisa Luksch kuratierte Schau ist in zwei Teile gegliedert. Zum einen werden beispielgebende Therapie- und Nachsorgeeinrichtungen unter anderem von Herzog & de Meuron, Zaha Hadid, OMA und Foster + Partners gezeigt. Diese Bauaufgabe ist schon länger ein Experimentierfeld für Healing Architecture, denn Architektinnen und Architekten geniessen dabei mehr Gestaltungsspielraum als beim Entwerfen von Spitälern. 

Der zweite Teil versammelt herausragende Krankenhausprojekte. Sie wurden von Masterstudierenden der TU München auf sieben von den Architekturprofessorinnen Gemma Koppen und Tanja C. Vollmer definierte Wirkungsfaktoren hin untersucht. Diese «Heilenden Sieben» tragen dazu bei, das Stresslevel der Patienten zu senken und fördern so deren Genesung: eine gute Orientierung, eine angenehme Geruchs- und Geräuschkulisse, genügend Privatheit und Rückzugsräume, sogenannte «Power Points», Aussicht und Weitsicht sowie ein menschliches Mass. Zu sehen ist mit dem Bürgerspital Solothurn von Silvia und Reto Gmür auch ein Schweizer Projekt.

Bürgerspital Solothurn, Silvia Gmür Reto Gmür Architekten (Foto: Ralph Feiner)
Prinzessin Máxima Zentrum, Utrecht, LIAG und MMEK' (Foto: Ewout Huibers)

Der Zeitpunkt für die Ausstellung ist klug gewählt: Aktuell müssen viel Spitäler saniert oder sogar ersetzt werden. Hierzulande plant zum Beispiel der Kanton Tessin, Bellinzonas neues Krankenhaus zu einem Vorzeigeprojekt zu gestalten, nachdem der vorhandene Bau am Hang oberhalb der Stadt keine Erweiterungsmöglichkeit mehr bietet und hoffnungslos veraltet ist. Den Architekturwettbewerb gewann im Januar der inzwischen leider verstorbene Michele Arnaboldi gemeinsam mit Michele Gaggini. Kurzum, aktuell besteht die Möglichkeit, die Krankenhausarchitektur zu reformieren und neue, bessere Lösungen umzusetzen. In Bellinzona zum Beispiel wird ein Komplex mit Restaurant, Kinderkrippe, Konferenzräumen und Dachgärten in eine öffentliche Parklandschaft am Fluss Ticino eingebettet.

Das Vorarlberger Architektur Institut (vai) gehört zu den wichtigsten Plattformen für den Architekturdiskurs und die -vermittlung in Österreich. Das Ziel des Instituts ist die Stärkung der Baukultur im Bundesland Vorarlberg. Fachleute sollen durch das vai vernetzt werde, Laien, Kindern und Jugendlichen möchte das Team ein baukulturelles Bildungsangebot machen. Die Trägerschaft ist ein gemeinnütziger Verein, und Verena Konrad leitet das vai seit über zehn Jahren als Direktorin.

Das Institut hat seinen Sitz in Dornbirn in der Marktstrasse 33. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr und samstags von 11 bis 15 Uhr. Von der Schweiz aus ist das vai mit den öffentlichen Verkehrsmitteln beispielsweise via Bregenz gut zu erreichen. 


Mehr zur Krankenhausarchitektur lesen Sie in einer Spezialausgabe unseres deutschen Partnermagazins German-Architects.

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