111 Meter langer Lehmbau in Laufen

Jenny Keller
31. Januar 2013
Rauch, Richterich und Herzog beim Spatenstich. Bild: Ricola

Ricola und Herzog & de Meuron sind ein Beispiel dafür, wie Bauherrschaft und Architekturbüro eine Gemeinschaft eingegangen sind, die beiden zu (weltweitem) Erfolg verhalf. Mit dem 1987 erstellten Lagerhaus für den Kräuterzuckerhersteller in Laufen begannen die Basler Architekten auf sich aufmerksam zu machen. Die Fassade, die das Lagern in Schichten versinnbildlicht, wurde vor allem durch den Fotografen Thomas Ruff um die Welt getragen, und der Standort – ein Steinbruch im schattigen Laufental – lockt bis heute Architekturstudenten und -interessierte von überall her an.

Aus der Region für die Region
Vergangene Woche haben die laut Lukas Richterich, Vizepräsident des Verwaltungsrates der Ricola AG und Miteigentümer der von seinem Grossvater gegründeten Firma für Kräuterbonbons, «freundschaftlich verbundenen» Firmen per Spatenstich und Medienkonferenz eine erneute Zusammenarbeit symbolisch zelebriert: Das neue Kräuterzentrum von Ricola soll im Frühling 2014 in Betrieb genommen werden und steht ganz unter dem Motto «aus der Region für die Region»: Die Architektur stammt aus Basel und das Material für die Lehmfassade aus einem Umkreis von weitestens 10 Kilometern um den Standort.
 
Gewohnt unbescheiden preist Pierre de Meuron das Kräuterzentrum von Ricola als etwas Besonderes an: «Es ist kein konventionelles Fabrik- oder Lagergebäude, wie es sie unzählige entlang der Autobahnen gibt, die das Mittelland versauen.» Das neuste Gebäude von Ricola habe Präsenz und sei ein «Stück geometrisierte Landschaft».
 
Das Kräuterzentrum vereint alle Kräuterverarbeitungsprozesse von Ricola – Trocknen, Schneiden, Mischen und Lagern – in einem Gebäude von 111 x 28,9 x 10,8 Metern (LxBxH). Die Verarbeitungsvorgänge sind dann erstmals sichtbar für Gäste, die im Besucherbereich, der zweistöckig ist, von einer Galerie auf die Produktion runterschauen können. Geheizt wird dort mithilfe der Abwärme der benachbarten Bonbonfabrik; der Rest des Kräuterzentrums ist unbeheizt, dank der Fassade aus Lehm sollen sich Temperatur und Feuchtigkeit im Gebäude jedoch selbst regulieren – es wird also auch weniger gekühlt werden müssen.

Visualisierung H&deM.

Lehmbauten sind in der ersten Welt en voque. Das ist sicher auch das Verdienst des Stampflehmexperten Martin Rauch aus Schlins, Österreich, der bei fast jedem Bauwerk, das den eigenen Aushub als Baumaterial verwendet, seine Hände im Spiel hat. Für das neuste Ricola-Gebäude hat der Voralberger eine Schweizer Niederlassung seiner Firma gegründet und bereits jetzt in einer Lagerhalle im benachbarten Zwingen mit der Produktion der einzelnen Fassadenteile begonnen, was für diese Bauweise ungewöhnlich und neu ist.

Ein Lehmelement in der Produktion in Zwingen. Bild: Ricola

Lehmbau à la Nouvelle Cuisine
Jacques Herzog vergleicht in einem Interview mit Radio SRF1 die Architektur mit der Arbeit in der Küche: Man könne und sollte immer aus dem Potenzial der Zutaten schöpfen, denn gebaut werde immer an spezifischen Orten und für bestimmte Menschen. Und ein Ratatouille schmecke im Sommer einfach besser als jetzt, wo die Zutaten aus dem Gewächshaus stammen.

Das Kräuterzentrum sei haptisch und physisch erfahrbar und tief mit dem Ort verbunden, «geerdet» nannte es sein Partner Pierre de Meuron. Der erratische Block soll den Bestand in eine neue Qualität rücken. Mit Bestand ist übrigens die angrenzende Hecke gemeint, die das Grundstück definiert und als natürliche Begrenzung der Wiesen und Äcker der Region dient.

Die Hecke. Bild: jk

Wenn Herzog Architektur und Kochkunst in einen Topf wirft, kommt man nicht umhin zu denken, dass es sich hier um Nouvelle Cuisine handelt, denn das Ricola Kräuterzentrum beschreibt den Beginn einer neuen Ära im Lehmbau: Um den zeitraubenden Trocknungsprozess nicht auf der Baustelle aushalten zu müssen, werden Fassadenblöcke (666 in der Zahl) in einer Halle in Zwingen (das ist das Nachbardorf von Laufen) bereits jetzt vorfabriziert und dann als Fertigelemente auf der Baustelle montiert. Grösse und Gewicht werden durch die in der Halle vorhandenen Hebekräne und deren Hebevermögen definiert. Mit dem traditionellen Lehmbau der Togo hat diese Fertigung also nicht mehr viel gemeinsam.

Sicht in die Besuchergalerie. Modellfoto: jk

Die runden Fenster in Laufen
1980, also sieben Jahre vor dem Bau der heute etwas «verrufften» (danke dem Kollegen für die schöne Wortkreation) Lagerhalle im Steinbruch konnten Herzog & de Meuron, damals noch kleine Architekten, das Büro von Alfred Richterich, Sohn des Ricola-Firmengründers, umbauen. Jacques Herzog betonte an der Pressekonferenz nicht nur die wichtige Zusammenarbeit mit den Kräuterzuckerherstellern, sondern auch den erstmaligen Auftritt des runden Fensters, das damals von ihm und Pierre de Meuron eingesetzt wurde. 33 Jahre später zitieren sich die Architekten beim Kräuterzentrum selbst (und damit die Postmoderne der Achzigerjahre), indem sie das runde Fenster pro Fassade einmal auftreten lassen.

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