Architektur und Kunst

Jenny Keller
19. Juni 2014
Die Rauminstallation «Zerzura» stammt von Panterapantera aus Basel. Bild: © Daniela & Tonatiuh

1970 gründeten Ernst Beyeler, Trudi Bruckner und Balz Hiltl, Galeristen aus Basel, die Art Basel. 45 Jahre später ist der Erfolg dieser Kunstmesse ungebrochen. Sie wurde sogar zum Brand und ist als Art Basel in Hongkong oder Miami Beach präsent. Während die Eingeschworene Gemeinde mit dem Geld sich ihre Werke vor der Preview schon sichert und nach dem offiziellen Einlass in die Halle 2 die meisten Bilder oder Fotografien schon einen orangenen Punkt haben (verkauft!), beschränken wir uns hier auf Performances, die man nicht kaufen kann und auf die Wände hinter der Kunst.

«14 Rooms» – Wieder Obrist und Herzog & de Meuron
Die Fondation Beyeler, die Art Basel und das Theater Basel bringen dieses Jahr erstmals eine Live-Kunst-Ausstellung an die Art und öffneten diese noch vor dem offiziellen Publikumstagen. Am Dienstagmorgen waren die «14 Rooms», so der Name der Performance-Ausstellung, sehr gut besucht, und man bekam den Eindruck, die sonst publikumswirksame «Unlimited» – also die Ausstellungshalle mit den übergrossen, Kunstwerken, die eher ins Museum passen als in eine Privatsammlung – kriegte die lebendige Konkurrenz zu spüren, war doch die Halle 1 weniger gut besucht als auch schon. Auch fehlte der «Unlimited» eines oder mehrere Werke mit Wow-Effekt, wie man es in den vergangenen Jahren sehen durfte. Deshalb zurück zu den «14 Rooms»:

2011 waren es noch 11 Räume. Anlässlich des Manchester International Festival  im Sommer 2011 fand das Projekt zum ersten Mal statt. Jedes Jahr kam ein Raum dazu, und auch die Performances und die Künstler wechselten zum Teil. Nun haben die Kuratoren Klaus Biesenbach (MoMA PS1) und Hans Ulrich Obrist (Serpentine Galleries) – den die Leser als Kurator des Schweizer Pavillons an der Architekturbiennale in Venedig kennen dürften – die Performance-Kunst-Installation an die Art Basel gebracht. Und Auch Herzog & de Meuron miteinbezogen. Von den Basler Architekten stammt nämlich die architektonische Umgebung der 14 Räume, die man sich als Haus im Haus (in Halle 3 der Messe Basel) vorstellen kann. Das Setting: die schwarze Messehalle ist in der Mitte mit einem weissen, fast schon sakralen Raum ohne Dach besetzt. Weil in der Kunst Referenzen eine oft nicht unwichtige Rolle spielen, sei hier der Vergleich mit der Abtei San Galgano in der Toscana gewagt, deren Hauptschiff ohne Dach seine Besucher wohl mehr beeindruckt als wenn es gedeckt wäre.

Spiegeltüren in sonst weissen, flauschigen Wänden führen in das Innere der 14 Räume, die je von einer anderen Performance bespielt sind. Die Stirnseiten des langen Raumes sind von einer grossen Spiegelfläche besetzt, sodass der Raum und die 14 Türen sich unendlich multiplizieren. Herzog & de Meuron verweisen in ihrem Projektbeschrieb auf die Beliebigkeit der Zahl 14, nächstes Jahr werden es wohl 15 Türen und Räume sein, wird das Projekt weiterverfolgt, und 100 im Jahre 2100. Die temporäre Installation könne irgendwo auf der Welt sein, der Ort spielt keine Rolle, deshalb seien die Wände weiss, fast schon abstrakt. Die Türgriffe auf den Spiegeltüren hingegen sind besonders. Sie sind aus Holz, digital gefräst und unterscheiden sich in der Haptik leicht voneinander, von Auge sind die Unterschiede aber fast nicht auszumachen.

Vor dem Raum mit den 14 Türen während der Vernissage. Der Mann rechts im Bild mit dem Totebag war eben noch auf der Architekturbiennale in Venedig. Bild: MCH Messe Schweiz (Basel) AG

Zum Inhalt: Für die 14 Rooms wurden 14 internationale Künstler eingeladen, ihre performativen Installationen in den von H&deM entworfenen Räumen zu zeigen. Hier kann sich also jeder Besucher, auch ohne grosses Portemonnaie, ein Stück Kunsterlebnis sichern, sei es Marina Abramovics ikonische (nackte) Frau auf dem Velosattel («Luminosity», 1997) oder Damien Hirsts Zwillinge (ursprünglich «Hans, Georg» 1992; beim Besuch am Dienstag waren es Leonard & Raphael, die der Performance auch den Namen gaben). Diese sitzen unter nicht ganz identischen «Dot Paintings» und tun das Gleiche zur gleichen Zeit. Während die zwei erwähnten Performances zum Zuschauen sind, wird man in anderen Räumen ins Geschehen involviert: Yoko Onos Performance «Touch Piece» (1963/2014) führt in einen komplett dunkeln Raum, wo man aufgefordert wird, sich zu berühren. Wem das zu nah ist, lässt einfach Raum 3 aus und begebe sich in Raum 8, wo Allora & Calzadilla in «Revolving Door» (2011) eine Gruppe Tänzer eine Choreographie in einem runden Raum aufführen lässt. Wer sich hineintraut, wird wie in einer Drehtüre weitergeschoben.

Damien Hirst Leonard & Raphael Kadid, 2014; Household gloss on wall, chairs and twins; Dimensions variable Presented at 14 Rooms in Basel by Fondation Beyeler, Art Basel, Theater Basel in 2014 © Damien Hirst and Science Ltd. All rights reserved

Bob van Orsouw und Christ & Gantenbein
Nun kann man die Unlimited getrost überspringen, denn nach so viel Live-Erlebnissen  wirken auch Videoarbeiten (von denen es einige hat) ziemlich leblos. Es lohnt sich, mal wieder einmal einen Abstecher in die Rundhofhalle (Halle 2) zu machen, wo ein Stand unter zahlreichen (232 sind es dieses Jahr) immer gleichen white cubes auffällt. Es handelt sich um den Auftritt der Galerie Bob van Orsouw (2.1, P21) aus Zürich, die dieses Jahr mit Christ & Gantenbein eine Kollaboration eingegangen ist, was man sieht: Die Wände des Standes wurden von den Basler Architekten mit einiger Erfahrung im Museumsbau (Landesmuseum Zürich, Kunstmuseum Basel, Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud in Köln) mit einem grau-braunen Zementgrundputz versehen. «Wenn eine Wand dunkler ist, leuchten die Farben darauf intensiver.», sagt Christoph Gantenbein. In der Tat: Das gelbe Werk «Enamel on linen» (2014) von Klaas Kloosterboer, kommt darauf ganz anders zur Geltung als auf der in der Kunstwelt zum Standard erhobenen weissen Wand.

Die Galerie Bob van Orsouw an der Art Basel. Bild: © Daniele Kaehr

Christoph Gantenbein tut die Intervention für van Orsouw zwar als «nicht der Rede Wert» ab, erklärt aber dennoch ihre Überlegung hinter der minimalen Intervention: Der weisse Raum als abstrakter, neutraler Ort, der sich in seiner Sprache zurücknimmt, gibt es für ihn nicht. Ein Raum könne sich höchstens in seiner Physis zurücknehmen, indem er minimal ausgestaltet werde, aber gerade bei der Präsentation von Kunst sei ein farbiger Hintergrund, viel effektvoller. In der Vergangenheit, in Kirchen oder Palästen, sei die Kunst immer in eine geschmückte Architektur eingebettet gewesen. Meist seien das glückliche Kombinationen, in denen das Werk mit dem Raum korrespondieren könne.

Statt des ebenfalls standardmässigen Tisches stellten die Architekten eine einfache, kaum gestaltete (Gantenbein redet von «non-design») geschliffene Betonbank vor die eine Wand, womit der Messestand mit Wohnzimmercharakter zu einem öffentlichen Ort und einer Durchgangssituation – was er in Wirklichkeit ist bei mehreren 10'000 Besuchern  – transformiert wird. Der Galerist wollte mit einem architektonischen Konzept die ausgestellten Werke verschiedener Künstler in Kontext zueinander bringen und mit der Wahl von Christ & Gantenbein das Lokale im internationalen Art-Trubel unterstreichen.

Shirana Shabazis Werke in der Mitte kommen auf der dunklen Wand besser zur Geltung. Bild: © Daniele Kaehr
Art|45
Basel
bis 22. Juni 2014
11 bis 19 Uhr
App: www.artbasel.com/basel/app

Art Parcours
Kunst und Performances um die Rheingasse
artbasel.com/basel/parcours

Neben-Events und Shows:

Design Miami/Basel
bis 19. Juni
Messe Basel, Halle 1 Süd
designmiami.com

Liste – Art Fair Basel
bis 19. Juni
Werkraum Warteck, Burgweg 15
liste.ch

Scope
bis 19. Juni
Uferstrasse 40, Basel
Scope-art.com

Swiss Art Awards 2014
bis 19. Juni
10 bis 20 Uhr
Messe Basel, Halle 4
(Zu den Siegern in der Kategorie Architektur mehr im Newsletter von nächster Woche)

Swiss Design Awards 2013
bis 19. Juni
10 bis 20 Uhr (Sonntags bis 19 Uhr)
Messe Basel, Halle 4

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