Das Dreiländereck bei Basel

Ursula Baus
6. Oktober 2011
Das Planungsgebiet übergreift am Rheinknie die Grenzen zwischen der Schweiz, Deutschland und Frankreich; links gut zu erkennen: der Flughafen auf französischem Gebiet. (Bild: IBA Basel)
Das 3Land-Projekt: links im Vordergrund das bestehende Basler Novartisgelände, dahinter Neuplanungen für das französische Huningue; rechts im Bild, auf der anderen Rheinseite: vorne die Rheininsel mit Hochhaus-Planungen, im Hintergrund Friedlingen/ Weil

Grossprojekte? Nach den Kalamitäten mit Stuttgart 21, mit der Elbphilharmonie in Hamburg oder Tempelhof in Berlin zuckt man in Deutschland bei diesem Wort zusammen und fürchtet Ungemach: Grossmannssucht, Geldverschwendung, Planungsdebakel – so was denkt man hierzulande gleich mit, wenn von Grossprojekten die Rede ist. Anders ist das in der Schweiz und in Frankreich. In der Schweiz werden seit jeher alle Projekte mit anderen Mitbestimmungsverfahren begleitet, und in Frankreich fürchtet man das Grosse ohnehin nicht; «Grand Paris» oder «Grand Lyon» lassen sich in ihrer Dimension ohnehin nur vom Flugzeug aus oder mit google earth erfassen. Mit dem so genannten 3Land-Projekt prescht die Region Basel-Huningue-Weil am Rhein jetzt in einer grenzüberschreitenden Kooperation voran und erkundet damit die Chancen europäischer Planungskultur.

Links der Blick aus Basel auf die mit Hochäusern beplante Rheininsel und Richtung französisches Ufer, rechts der Blick in die umgekehrte Richtung, vom Huninguer Ufer nach der Rheininsel.

Die Dimensionen
Das 3Land-Projektgebiet umfasst 175 Hektar (= 237 Fussballfelder) und reicht am Rhein von der Basler Dreirosenbrücke im Süden bis zur französischen Palmrainbrücke im Norden. Der Rhein war früher eine Grenzlinie, und wie es so war: Ins Grenzgebiet zum Nachbarn hin verlegten alle drei Länder unliebsame Einrichtungen wie Kläranlagen, Kraftwerke, Industriegebiete. Mit den Grenzöffungen, die einer Grenzaufhebung immer näher kommen, boten sich schlagartig Chancen, um ohnehin marode Industriebrachen, vergessene Naturräume und jetzt auch veraltete Hafenanlagen neu zu beplanen. Der Kanton Basel Stadt hatte für die rheinseitigen Hafenanlagen bereits 2009 mit MVRDV, Cabane und Josephy eine Reorganisation getestet, mit der deutlich wurde, dass eine isolierte, rein schweizerische Entwicklung keinen rechten Sinn ergibt. Neu ist das Planungsthema entlang des Rheins nicht, es gleicht vielmehr der Aufgabe, die sich der IBA Emscher Park 1989 bis 1999 stellte. Fungierten Flüsse in Zeiten der Industrialisierung als billige Abwasserkanäle, bieten sie den weitreichend deindustrialisierten Dienstleistungs- und Wissensgesellschaften jetzt beste Chancen für attraktive Wohn-, Freizeit- und Arbeitsräume. Aber welchen Aufwand muss man treiben, bis es so weit ist!

So könnte es eines Tages am Rheinufer von Weil aussehen: Das 3Land-Projekt macht's möglich.

SCOT, PLU, BauO, LBO, RPG
So einfach, wie es sich anhört, ist das alles keineswegs. Die sprachlichen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und planungsrechtlichen Unterschiede zwischen den drei Ländern sind erheblich, wovon beispielsweise die Architekten und Ingenieure der Fußgängerbrücke zwischen Huningue und Weil am Rhein ein Liedchen singen können. Diese Brücke (Feichtinger Architekten und LAP) beweist zugleich, wie rasant sich immer wieder der Handel auf den Wandel auswirkt: Einkaufszentren in Deutschland, Freizeitangebote in Frankreich – es herrscht ein völlig unerwarteter, reger Verkehr auf der Brücke. Handfeste Begehrlichkeiten gibt es jedoch auch seitens der Wirtschaft: Novartis (an der Grenze Kanton Basel/ Huningue gelegen) könnte, möchte, sollte vielleicht Richtung Frankreich expandieren. Von dem 3Land-Projekt könnten alle profitieren, wenn gesamtgesellschaftlich akzeptierte Ziele gefunden, planungsrechtlich einwandfreie Strategien entwickelt und kluge Konzepte intelligent umgesetzt werden. Im 3Land-Konzept sind die Quartiere beziehungsweise Orte und Ortsteile sehr heterogen – und sollen es auch bleiben. Unterstützend könnte die 2010 begonnene IBA Basel 2020 wirken, die mit dem Motto «Au delà des frontières ensemble – Gemeinsam über Grenzen wachsen» die Handlungsdimensionen bereits weit öffnete. Unschätzbar ist das Potenzial des Rheins, um den man alle Anrainer nur beneiden kann. Er muss auch in überraschenden, hochleistungsfähigen Verkehrsszenarien, die im 3Land eine herausragende Rolle spielen, umweltverträglich eingebunden werden.

Hamburg hat die Elbe und den Hafen, die Agglomeration Basel den Rhein vorm Alpenpanorama – für die Planungsqualität zeichnen hier ein Schweizer Regierungsrat, ein deutscher Oberbürgermeister und ein französischer Monsieur le Maire verantwortlich. Wenn sie nicht alle drei die nächsten Jahrzehnte am selben Strang in die selbe Richtung ziehen, hat das 3Land-Projekt keine Chance.

Beispiel Hamburg: Hafencity und IBA («Sprung über die Elbe») sind zweierlei, profitieren aber voneinander. (Bild: Wilfried Dechau)
www.3Land.bs.ch
www.iba-basel.net

Das IBA-Basel-Forum findet am 3. November 2011 in der Basler eHalle von 13.30 bis 18 Uhr statt.
Anmeldeschluss ist der 27.10.2011.
Der Beitrag stammt von unserer deutschen Kollegin Ursula Baus. Sie hat ihn für das deutsche eMagazin #39 verfasst.

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