Ferienhäuser

Inge Beckel
17. Juli 2014
I Grappoli: Verdichtete, mediterrane Siedlung von Manuel Pauli und August Volland. Bild: grappoli.ch

Für Peter Meyer, Grand Seigneur der Architekturkritik des frühen 20. Jahrhunderts und gewissermassen Gegenspieler Siegfried Giedions, war die Moderne ein technischer Stil. Und dieser finde, so Meyer, beim breiten Publikum letztendlich nur wenig Anklang. Denn er sei längst zum Alltag geworden, dieser technische Stil. Doch wer, der seinen Arbeitsalltag im durchrationalisierten Milieu eines Büros oder einer Fabrik verbringt, will auch seine Freizeit darin verbringen? Vielmehr sehne er sich nach dem Gegenteil, schlussfolgerte Peter Meyer.1

Ob nun Gegenwelt oder Variante des Alltags, für die breite Bevölkerung sind bezahlte Ferien ein relativ junges Phänomen. So wurde die Schweizer Reisekasse Reka im Sommer 1939 unmittelbar vor Kriegsausbruch gegründet. In einem Moment – wie es noch heute auf der Reka-Homepage heisst –, als verantwortungsbewusste Politiker, Wirtschafts- und Gewerkschaftsführer begonnen hatten, «im Interesse des Gesamten, das Trennende zu überwinden und das Gemeinsame zu suchen».2

Ferien für alle
Vor diesem Hintergrund von neu etablierten Ferien für alle entstanden in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Feriendörfer und -siedlungen im Auftrag gemeinnütziger Einrichtungen. Hierzulande baute diese Ferieninfrastrukturen für Arbeiter und Angestellte also nicht der Staat. Verantwortlich zeichneten vielmehr Personalverbände wie der Verband des Personlas öffentlicher Dienste VPOD, die Jugendorganisation Pro Juventute oder die erwähnte Reka. Letztere ist noch heute als Genossenschaft organisiert. Im Jahre 2010 wies die Sparte Reka-Ferien einen Umsatz von gut 39 Millionen Franken auf und verzeichnete in der Schweiz über 995'000 Logiernächte in über 1500 Ferienwohnungen. Angesprochen sind heute Leute aus allen Bevölkerungskreisen, vor allem Familien.

Albonago: Das Einfamilienhaus war nach dem Kriege jedenfalls in den Ferien für jedermann zu haben. Bild: reka.ch

Aus dieser Frühzeit stammt beispielsweise das Feriendorf Albonago oberhalb von Lugano. Es ist die erste derartige Einrichtung der Reka, eröffnet 1955. Errichtet wurde sie vom Berner Architekten Kaspar Baum und 1964 fertiggestellt, mit 25 Häusern – stellvertretend für 25 Kantone. Auch das Dörfchen Sessa liegt im Tessin. Hier liess der VPOD zwischen 1957 und 1960 von Manuel Pauli und August Volland das Feriendorf I Grappolierrichten. Im Gegensatz zu Albonago, wo die Häuser frei stehen, sind die Reihenhäuschen in Sessa zu Hausgruppen verdichtet. Westlich von Sessa, in Fornasette, findet sich das Feriendorf Bosco della Bella, erbaut 1962 von Justus Dahinden im Auftrag der Pro Juventute. Insgesamt 27 Häuser verteilen sich über einen Kastanienhain, die, aufgebockt auf je vier Stützen, fast schwebend über der Landschaft thronen. Es sind eigentliche Baumhütten oder gar «Raumkapseln».3

Bosco della Bella: Justus Dahindens Baumhütten. Bild: ib

Ob nun Heimatstilhäuschen wie in Albonago, abstrakt mediterrane Reihenhäuser wie in Sessa oder futuristisch anmutende Baumhütten wie in Fornasette, alle sind sie einem kleinteiligen, «volksnahen» Bauen verpflichtet. In den 1960er- und 1970er-Jahren aber verdichteten sich auch hierzulande neu entstandene Feriensiedlungen. Sie wurden grösser und höher. Man konnte nunmehr in Blöcken Ferien machen. Man denke etwa an Crans Montana im Wallis oder, als exemplarische Nennung, an die Siedlung Soleval von Jean-Paul Darbellay aus dem Jahre 1973 auf der Lenzerheide.4 Die Flut all der privaten Ferienhäuser lassen wir diesmal beiseite. Doch ob man sich nun die feinkörnigeren Ferienarchitekturen der frühen Nachkriegszeit oder die jüngeren Beispiele ansieht – im 20. Jahrhundert wurde im Bereich Ferienarchitektur grundsätzlich neu gebaut.

Soleval: Ferien verdichtet. Bild: soleval.ch

Ferien im Altbau
Seit einigen Jahren jedoch wird auch in renovierten Altbauten Ferien gemacht – und dies mit steigender Tendenz. So kann die Stiftung Ferien im Baudenkmal, die erst 2005 zum 100-Jahr-Jubiläum des Schweizer Heimatschutzes gegründet wurde, bereits 17 historische Häuser als Urlaubsorte anbieten, vom Wallis etwa über den Kanton Uri bis ins Thurgau oder nach Graubünden.5Im September dieses Jahres wird nach sorgfältiger Renovation ein weiteres Objekt seine Türen öffnen: das Türalihuus in Valendas im Bündner Oberland.

In demselben Dorf Valendas wurde Ende Juni bereits das Engihuus eröffnet, das Gion A. Caminada und sein Team umgebaut und als Gasthaus am Brunnen hergerichtet haben. Auch das Engihuus ist ein historisches Haus.

Gasthaus am Brunnen: Eröffnung Ende Juni. Bild: ib

Auf der so genannten Schattenseite der Surselva gelegen, war das Dorf für Ferienleute bislang kaum ein Zielort. Viele schöne stattliche Häuser, die aus vergangenen wirtschaftsstärkeren Zeiten stammen, standen lange leer. Das soll sich nun ändern. Zentraler Impulsgeber auf diesem Weg hinaus aus Leerstand und Abwanderung ist der Verein Valendas Impuls. Er setzt sich aus einer Gruppe von Einheimischen wie Auswärtigen zusammen, die vor elf Jahren begannen, die Zukunft des Dorfes aktiv an die Hand zu nehmen.6 Das Gasthaus am Brunnen ist dabei ein wichtiger Meilenstein. Es ist ein Gasthaus, das sowohl Einheimische wie Gäste empfangen will, sie verwöhnen und sich zuweilen auch begegnen lassen. Und schliesslich ist es – wie die Häuser von Ferien im Baudenkmal – ein Beispiel eines Ferien- oder eben Gasthauses, das in historischem Bestand realisiert wurde.

Anmerkungen
1) Peter Meyer, «Stilgeschichte des Hotels», in: Bauliche Sanierung von Hotels und Kurorten, Schlussbericht, bearbeitet und hrsg. im Auftrag des Eidgenössischen Amtes für Verkehr von Armin Meili, 1945, S. 45.
2) Reka-Homepage, Geschichte.
3) Vgl. zum Thema u.a. das k+a-Themenheft Ferien für alle, Nr. 2/2011.
4) Vgl. hierzu Carmelia Maissen, Hochaus und Traktor. Siedlungsentwicklung in Graubünden in den 1960er- und 1970er-Jahren, Zürich 2014. .
5) Liste aller Objekte, die bei Ferien im Baudenkmal gemietet werden können.
6) Mehr zu Valendas und zu Valendas Impuls.

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