Mit einem Augenzwinkern

Jenny Keller
7. Juni 2012
Bild: FSA

Er sagt, sie sei die komplettere Architektin: Er könne keinen Terminplan erstellen, ohne dass er leiden müsse. Barbara Frei bejaht, mehr Erfahrung in der Projektleitung und der Ausführung zu haben als Martin Saarinen, obwohl sie Baustellen doch eigentlich hasse. Er dagegen sei das Gehirn des Büros. Lachend stellen sie beide fest, dass die Bürogemeinschaft also weiterhin Bestand haben muss, wenn sie so erfolgreich weiterarbeiten wollen, wie sie es seit sieben Jahren tun. Das Jubiläum feierte man übrigens am 1. Juni, und das Fest war: «Laut, wild und lustig.» Aber beginnen wir von vorne.

Rural House. Eine Studie im Auftrag von Wallpaper, 2010. Alle Bilder: FSA

Angefangen hat alles 1997 im dritten Jahr im Architekturstudium an der ETH: Martin Saarinen und Barbara Frei haben sich im Semester bei Franz Oswald (Professor Emeritus für Architektur und Städtebau) kennengelernt. Noch während des Studiums haben sie zusammen an einem Wettbewerb für einen Pavillon in Stuttgart teilgenommen, für den sie eine Erwähnung erhalten haben. Beide diplomierten dann bei Adrian Meier. Nach Arbeitserfahrungen bei «coolen, jungen Büros» in Holland und der Schweiz haben sie 2003 angefangen, zusammen an Wettbewerben teilzunehmen. Sie träumten von internationalen, grossmassstäblichen Städtebauprojekten. Doch es kam alles anders: «Manchmal haben wir das Gefühl, wir seien in der Umbaufalle gefangen», sagt Martin Saarinen. Daran ist das Xenix schuld. Umbau, Instandstellung und Erweiterung der Bar und des Kinos am Helvetiaplatz in Zürich ist das erste Projekt das Frei + Saarinen Architekten, kurz FSA, ausgeführt haben.

Detailskizze Xenix: Umbau, denkmalpflegerische Sanierung und Erweiterung, 2005-2007. Alle Bilder: FSA

Das Gesellenstück
«Das Timing war nicht schlecht», erzählt Barbara Frei. Sie habe gerade den letzten Arbeitstag bei EM2N gefeiert als Martin Saarinen sie anrief, um mitzuteilen, dass sie das Planerwahlverfahren für das Xenix gewonnen haben. Er war damals noch Assistent bei Prof. Deplazes an der ETH und man war bereits kein Paar mehr, respektive nur noch ein Büropaar, erklärt Martin Saarinen.

Das Xenix gab den Startschuss zur Bürogründung im Jahre 2005. Neben dem perfekten Timing sei es auch die Hölle gewesen, erinnern sie sich. Man stelle sich vor, wie gross ihr Lampenfieber gewesen sei, wenn man die ganzen Fehler, die man bei einem ersten Gebäude macht, mitten in der Stadt, unter den Augen von allen, machen müsse. Doch (fast) alles ging gut, und das Projekt war äusserst lehrreich. Die jungen Architekten, die davor bei «freaky» Büros gearbeitet hatten, mussten sich plötzlich mit Handwerk und einem feinen Detaillierungsgrad auseinandersetzen. Es galt alles bis zur letzten Holzlatte zu entwerfen, etwas, das sie davor nie gemacht und auch während der ETH-Ausbildung «grossräumig umgangen» hatten. «Nachdem wir dachten, alles finde sowieso nur noch auf dem Computer statt, zeichneten wir Baupläne von Hand mit qualitativen Angaben und Anleitungen, wie man es im Mittelalter in der Bauhütte gemacht hat.»

Weitere Detailskizzen vom Xenix.

Das Babuschka-Prinzip
FSA werden seither immer wieder für «komische und komplizierte Umbauten» angefragt, sei es das Pfarrhaus St. Josef im Zürcher Kreis 5, der Werkhof Glattbrugg aus den Siebzigerjahren oder die Chliriethalle in Oberglatt, ebenfalls ein Siebzigerjahre-Gebäude. «Wir konnten uns bisher keinen Namen machen mit grossen, grandiosen Projekten», stellt Barbara Frei fest. Es sei ein wenig ein Teufelskreis. Weil sie sich am ehesten in Präqualifikationsverfahren für Umbauten durchsetzen, kommen auch wieder Aufträge für solche Projekte. Und weil sie die Tendenz hätten, für das Geld, das sie erhielten viel zu viel zu arbeiten, kämen sie nicht dazu, an anderen Wettbewerben teilzunehmen.

Vielleicht kommen die grossen Projekte ja noch, denn die Bauten von FSA werden schrittweise grösser. Das Ziel sei, scherzt Barbara Frei (oder meint sie es ernst?), dass sämtliche vorangegangenen Projekte volumetrisch in das nächste passen – wie bei einer Babuschka.

Das neue Seekongresshaus Zürich. Studie aus Eigeninitiative, 2009.

Projects nobody asked for
Wir haben FSA im Rahmen einer PechaKucha-Nightkennengelernt, wo Martin Saarinen das utopische Flughafenprojekt im Mittelland, «Der Grosse Flughafen», vorgestellt hat. Diese freie Arbeit ist von einem Augenzwinkern begleitet, und die Architekten beweisen damit sehr viel Humor, Witz aber auch Intelligenz.

Vielleicht seien diese freien Projekte eine Lockerungsübung, vielleicht sei es auch der Widerwille, sich von der täglichen Routine auffressen zu lassen, meint Martin Saarinen. Alle diese «sinnlosen» Projekte hätten am Ende jedoch immer zu etwas geführt. Seien das Kontakte, Vorträge, Preise, Ausstellungen oder Publikationen. «Der Grosse Flughafen» hat zum Beispiel den Swiss Art Award 2011 gewonnen und wurde eben auch im Helmhaus in Zürich ausgestellt. «Wir glauben, eine Meinung zu haben, auch wenn sie niemand hören will», begründet Martin Saarinen die selbst ernannten projects nobody asked for.

«Ceci n'est pas un minaret» – Offener spekulativer Konzeptwettbewerb. 3.Preis 2010.

Die Moschee war da schon erfolgreicher, und das Projekt wächst ständig weiter, bereits bestehen Pläne und Ausstellungsmodell, dass man um die Welt schicken kann. Momentan ist es auf dem Weg nach Berlin, davor war es in Stuttgart, beide Destinationen sind Stationen der Ausstellung Kubus oder Kuppel. Den Startschuss zum Projekt gaben die Foreign Architects Switzerland. Sie haben FSA nach der Abstimmung zum Minarettverbot und vor dem Wettbewerb auf der Kronenwiese in Zürich gefragt, ob sie ein Projekt für eine Moschee ohne Minarett auf der Kronenwiese einreichen wollten. FSA wollten und gewannen den dritten Preis.

Aus den projects nobody asked for, aus diesen kritischen Kommentaren zu aktuellem Geschehen, werden oftmals Projekte über die Repräsentation von Architektur. «Wir denken gerne darüber nach, wie man Architektur darstellen kann.» Deshalb haben FSA auch viel Herzblut und Handarbeit in das Modell der Moschee gesteckt, damit diese nun von Ausstellung zu Ausstellung unbeschadet pilgern kann.

Die Moschee pilgert von Ausstellung zu Ausstellung. Hier das Modell, das die Punktsymmetrie ausnützt.

Lehre und Theorie
Martin Saarinen, der an der Hochschule Luzern unterrichtet hat, schreibt auch Beiträge (s. rechte Spalte) in verschiedenen Fachzeitschriften. Der bisher aufwendigste und wichtigste Artikel erschien in werk, bauen und wohnen 4/2012 über Manierismus. Das ganze Büro habe darüber nachgedacht, wo man die Grenze ziehen könne bei diesem Begriff. Ist es eine Haltung, eine Strömung, eine Epoche? Ist Manierismus gut oder schlecht? Klar ist, dass man auch diese Arbeit sehr gewissenhaft gemacht hat und viel dazu gelernt hat.

Im Moment machen sie eigentlich «einfach nur Architektur», ein Einfamilienhaus in Kilchberg ist soeben im Bau. Dies sei nun bestimmt kein brisantes Thema, aber für FSA ist es eine spannende Auseinandersetzung mit der Normalität. Das führt unter anderem zur Entwicklung der perfekten Minergie-Katzentüre, was gar nicht so einfach sei, wie Martin Saarinen feststellt.

Wohnhaus in Kilchberg im Bau.
Frei + Saarinen Architekten
Agnesstrasse 2
8004 Zürich
T 043 243 30 04
zum Büroprofil

Frei + Saarinen Architekten beschäftigen 3 bis 5 Architekten. Die Mitarbeiter werden alle als Projektleiter eingesetzt und übernehmen vom ersten Tag an viel Verantwortung. Weil das Büro an der Agnesstrasse befristet ist und aus allen Nähten platzt, sind FSA auf der Suche nach einem neuen Atelier und dankbar für jeden Hinweis auf [email protected].

Zum weiterlesen
Martin Saarinen in archimaera.de 4, Dezember/2011,
Kino Xenix. Vom langen Leben einer Schulbarackenarchitektur im Herzen der Stadt Zürich

Martin Saarinen in werk, bauen + wohnen 12/2011, «Sprungbrett Zürich - Aldo Rossi und die Schweiz; Architektonische Wechselwirkungen»,
S. 70 ff.

Martin Saarinen in werk, bauen + wohnen 4/2011, «Disegno Fantastico - Manieristische Phänomene in der zeitgenössischen Architektur»,
S. 12 ff.

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