Schweizer Immobilien-Kongress 2010

Inge Beckel
8. November 2010
Bild: Kulturland. Wo bauen, wieviel Landwirtschaft, wieviel «Freiland»? (Bild: Flickr/starkenbachh)
 

Organisiert vom Beratungsunternehmen IAZI AG aus Zürich und unter Mitarbeit der Universität Bern hatten die Organisatoren grundsätzlich zwei Perspektiven auf das Thema der Immobilien - primär in der Schweiz - gelegt. Am Morgen referierten Juristen und Wirtschaftsvertreter, während am Nachmittag das Augenmerk auf der Planung und dem Bauen lag. Zudem war eine Podiumsdiskussion einberaumt worden, wo auch der Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz als Initiantin der Landschaftsinitiative, Raimund Rodewald, Einsitz hatte (vollständiges Programm hier).

Boden als Handelsware

Generell gesagt: Der Druck auf den Boden hierzulande steigt, ungleich verteilt zwar - wie wir noch sehen werden - doch er steigt. Einmal wächst die Bevölkerung in der Schweiz, zudem steigt der Flächenkonsum pro Person schon seit Jahren kontinuierlich an. Und weiter: Im Zuge der Finanzkrise und deren Verlusten an den internationalen Finanzmärkten interessieren sich nunmehr auch Investoren, Vermögende und mit ihnen Banken und andere Finanzunternehmen wieder merklich stärker für sicher geltende Werte wie Grund und Boden - und damit vor allem Immobilien. Dieser Trend ist nicht neu, doch haben ihn die Finanzkrisen spürbar verstärkt. 
So sind in der Schweiz die Preise von Immobilien in den letzten fünf Jahren mancherorts geradezu explodiert. Der Häusermarkt in der Stadt Lugano verzeichnete beispielsweise eine Steigerung von 23 Prozent, in Zürich von 31 Prozent, in Genf aber von satten 66 Prozent! Dennoch, so meinte der einleitende Referent Donato Scognamiglio, stehe der Schweizer Immobilienmarkt im internationalen Vergleich noch gut da, er sei zwar angeheizt, aber nicht überhitzt wie etwa in Grossbritannien, den USA oder Spanien. Doch sicherlich können Immobilien auch in der Schweiz Fehlinvestitionen sein - so warnte kürzlich die Schweizerische Nationalbank vor Überhitzung, das inzwischen hinlänglich bekannte Reizwort heisst Immobilienblase.
Nun setzt sich der Preis einer Immobilie grundsätzlich einerseits aus dem Wert des fraglichen Hauses zusammen, andererseits aus dem Standort dieses Objekts. So wurde am Dienstag gezeigt, dass beispielsweise dasselbe, präzis definierte «Musterhaus» mit einer Nettowohnfläche von 150 Quadratmetern - unter anderen Vergleichsfaktoren - in Schaffhausen 873'000 Franken, in St. Gallen 976'000 Franken, in Winterthur bereits 1'210'000 Franken und in Zollikon schliesslich 2'484'000 Franken kostet! Die begehrten Plätze sind rar, die Nachfrage ist gross, die Preise steigen. So gesehen sind Immobilien eine Handelsware.
Um den Bedarf decken zu können, muss mehr gebaut werden: umgebaut, neu gebaut. Nur wo? Primär gilt es, bestehende Siedlungsflächen qualitätvoll zu verdichten, darüber sind sich im Grundsatz heute alle einig, so verlangt es zudem der Grundsatz des haushälterischen Umgangs mit dem Boden, wie er im Raumplanungsgesetz verankert steht. Auch Baulandreserven gibt es schweizweit noch für viele Jahre, doch wiederum: Sie sind ungleich verteilt. Das Wallis hat deren viele, die Stadt Zürich wenig. Wie also soll es weitergehen?

Boden als Ressource

Die Direktorin des Bundesamtes für Raumentwicklung, Maria Lezzi, nannte als Herausforderung, dieses Wachstum ressourcenschonend zu bewältigen. In ihrem Referat verwies sie auf die geplante Revision des Raumplanungsgesetztes, womit dem Bund mehr Kompetenzen gegenüber den Kantonen gegeben werden sollen: So kann er inskünftig Minimalstandards definieren und nötigenfalls gar Sanktionen aussprechen. Die Stossrichtung ist klar, der Ständerat hat bereits einmal beraten und folgt der Revision in wesentlichen Punkten. Wann die Revision in Kraft treten kann, ist unklar.
Dem Bund mehr Kompetenzen zu geben, unterstützt auch die Landschaftinitiative. Doch sie geht weiter. Sie verlangt ein Moratorium des gesamten Umfangs der heute ausgeschiedenen Bauzonen für 20 Jahre. Denn die Zeit drängt, der Boden werde uns förmlich unter den Füssen weggezogen, so Rodewald. Nun waren sich die Teilnehmer des Podiums bezüglich der Zielsetzung der Landschaftsinitiative - erstaunlicherweise - mehrheitlich einig. Dass die Ressource Boden und mit ihr die Landschaft zu schützen seien - und dass in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung (teilweise) aus dem Ruder gelaufen sei, darüber herrschte im Grundsatz Einigkeit.
In den Instrumenten gingen die Meinungen dann aber erwartungsgemäss auseinander. Für den Direktor des Hauseigentümerverbandes, Ansgar Gmür, ist ein Moratorium undenkbar, der Vertreter des Bauernverbandes, Jacques Bourgeois, ist bezüglich der Weiternutzung von Bauten in den Landwirtschaftszonen besorgt. Anton Affentranger, Verwaltungsratspräsident der Implenia AG, freute sich eigentlich über die Initiative, dies insofern, als nun endlich über das Problem debattiert werde. Dennoch: Grundsätzliche Einigkeit in den Zielen kann das Wachstum des derzeitge Siedlungsraumes de facto nicht stoppen - wie gesagt: Die Zeit drängt. Denn die Ressource Boden ist endlich.
Ein Grund vielleicht, warum das Wachstum des Siedlungsgebietes bisher nicht wirkungsvoller gesteuert werden kann, zeigte sich mitunter an der Tagung selbst. Die beiden grossen «Players», die Wirtschaft einerseits sowie die Planung und mit ihr der Landschaftsschutz andererseits, bewegen sich auf unterschiedlichen Feldern. Sie denken anders, ihre Leitplanken sind andere, ihr täglicher Anforderungskatalog bei der Arbeit divergiert in wesentlichen Punkten: Während die einen die Handelsware Boden bestmöglich an den Mann bringen oder gewinnbringend bewirtschaften müssen - was im Grundsatz einem Denken in Maximalwerten entspricht -, müssen die anderen haushälterisch, also nachhaltig mit der Ressource Boden umgehen, was ein Optimieren unter Berücksichtigung der verschiedenen Kriterien bedeutet. Vielleicht müsste man darüber etwas intensiver nachdenken, über die Arbeits- und Denkkulturen und die jeweils gültigen, heute erforderten Haltungen. Und diese überdenken.

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