Städtebaulich wie materiell verankert

Inge Beckel
26. April 2012
Erweiterungsbau Uhrenfabrik Corum in La Chaux-de-Fonds, 1992–1995. Bild: C. Kerez

Es gab eine Zeit vor dem Mobiltelefon: Nachdem Margrit Althammer und René Hochuli je in verschiedenen Architekturbüros tätig gewesen waren, nahmen sie im Winter 1991/92 an einem Wettbewerb teil, wo Ideen junger Büros – mit wenig Bauerfahrung – gefragt waren. Es war die Uhrenfirma Corum in La Chaux-de-Fonds, die mit der Erweiterung des Stammsitzes auch inhaltlich auf Erneuerung setzte. Der Wettbewerb war abgeschlossen, und bevor man sich wieder in eine neue Arbeit begeben wollte, gingen die beiden jungen Architekten auf Reisen. Zuhause war vereinbart, dass sie gelegentlich bei einer Post vorbeigehen würden, um zu sehen, ob via «poste restante» – so hiess das damals – etwas für sie hinterlegt war. Als sie dann endlich wieder zur Post gingen, diesmal in Kairo bei der dortigen Hauptpost, da wartete tatsächlich eine unerwartete Nachricht auf sie: Sie müssten sofort in die Schweiz fliegen, hiess es da. Sie hätten einen Wettbewerb gewonnen und würden zur Vernissage und Pressekonferenz anlässlich der Siegerehrung für die Corum-Erweiterung erwartet. – Seither gibt es Althammer Hochuli Architekten, und sie feiern dieses Jahr ihr 20-Jahr-Jubiläum.

Erweiterungsbau Pflegezentrum Bachwiesen in Zürich, 1998–2003. Bild: H. Henz

Städtebauliche Klärungen
Der längliche Erweiterungsbau auf dem Gelände der Uhrenfabrik schliesst als rückwärtigen Bau einen Hof, der seitlich mit den zwei älteren Bauten aufgespannt wird. Einem Uhrengehäuse vergleichbar, öffnet sich die nordöstliche, grossflächig verglaste Fassade zum zentralen Hof der Uhrenfirma hin, während die davon abgewendeten Seiten muraler ausgestaltet sind und damit symbolisch das Gelände gegenüber dem Umfeld abschliessen. Ebenfalls um eine Erweiterung handelt es sich beim Pflegezentrum Bachwiesen in Zürich Albisrieden; diesen Wettbewerb hatten Althammer Hochuli 1998 gewonnen. Die mehrgliedrige Anlage aus den 1950er-Jahren wurde gesamthaft erneuert und durch ein bis zu fünf Geschosse hohes, im Innern windmühlenartig organisiertes Volumen ergänzt, das das Heim gegen Süden erweitert. Das Ensemble liegt eingebettet in einen Park, worauf hin es sich auf mehreren Seiten öffnet.

Thermalbad auf dem Hürlimann-Areal in Zürich, 2007–2011. Bild: H. Henz

Und Sorge um die Umgebung des Alltags
Während das Zentrum Bachwiesen gegen aussen hin fein geschliffene Betonflächen prägen, die von leicht auskragenden, horizontalen Betonbändern strukturiert werden, verweisen die Fensterrahmen aus Holz auf die Materialisierung im Innern. Denn hier ermöglichen raumhaltige, möbelartige Fensterelemente aus Lärchenholz den bettlägerigen Bewohnern einen freien Blick hinaus in die Natur. Und die noch rüstigen Pensionäre und Heimbewohnerinnen können die Aussicht auf beheizten Sitzbänken an den Fenstern geniessen. Bunt gehaltene Wände oder Holzverkleidungen finden sich auch in weiteren (Wohn-)Bauten, so beim Umbau eines Privathauses in Zürich oder bei einem Ferienhaus in Braunwald. Die Palette reicher und vielfältiger Innenräume wird jedoch besonders bei den Umbauten auf dem Areal der ehemaligen Hürlimann-Brauerei in Zürich sicht- und erlebbar, wo Althammer Hochuli Architekten verschiedene eigene Marken hinterliessen, die sie ihrerseits jedoch stets auf vorgefundenen Spuren aus der Vergangenheit aufbauten.

Boutique Hotel in Zürich, Boardroom, 2012. Bild: B2 Boutique Hotel + Spa Hürlimann-Areal Zürich

Wohnen, Hotel und Wellness anstatt Bier
Ja, es ist das bislang wohl grösste Projekt, das die beiden Architekten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insgesamt am längsten beschäftigte: die Umnutzung des Areals der ehemaligen Bierbrauerei Hürlimann in Zürich Enge. Entwicklungsleitbild und Gestaltungsplan datieren aus dem Jahr 1999. An die Hand genommen wurde zuerst die Umnutzung des Lagerhauses Eglisana, dann folgten die Wohnhäuer, die in einer Arbeitsgemeinschaft mit Andrej Volk realisiert wurden. Und schliesslich konnten die Architekten – nunmehr zusammen mit der Innenarchitektin Ushi Tamborriello – die ungewöhnliche Aufgabe in Angriff nehmen, in den unterirdischen Gewölbekellern der alten Brauerei ein Thermalbad einzurichten, wozu – sicherlich als spektakuläres Pünktchen über dem Areal – hoch oben auf dem Dach ein Freibad mit Blick über die Stadt gehört. Und erst im vergangenen März wurde der letzte Baustein des ganzen Hürlimann-Ensembles eröffnet, das Boutique Hotel B2.

Wohnsiedlung Guggach in Zürich, 2005–2011. Bild: H. Henz

Nochmals Wohnen
Doch über all die Jahre ihrer Tätigkeit bestritten Margrit Althammer und René Hochuli stets auch viele Wettbewerbe – und diese mit Schwergewicht im Wohnbausektor. Vor allem im Rahmen des von der Stadt Zürich in den 1990er-Jahren lancierten Wohnbauprogramms 10'000 Wohnungen in 10 Jahren konnten sie punkten. Die grössten realisierten Siedlungen, allesamt auf Zürcher Stadtgebiet, sind die Wohnsiedlungen Entlisberg und Guggach, wobei bei beiden die Baugenossenschaft der Strassenbahner Zürich als Bauträger auftrat. Aus insgesamt vierzehn, teilweise aneinander stossende Bauvolumen besteht die Wohnüberbauung Wasserschöpfi der Helvetia Versicherungen, eine Ersatzsiedlung älterer Mehrfamilienhäuser aus der Mitte des 20. Jahrunderts am Friesenberg. Obwohl die verschiedenen Bauensembles typologisch sowie formal unterschiedliche Referenzen aufweisen und in ihrem Ausdruck entsprechend variieren, finden die neuen Bewohner und Bewohnerinnen stets eine moderne, gleichzeitig angenehm unaufgeregte Wohnumgebung vor mit den heute üblichen grosszügigen Balkonen oder Loggien.

Wohnüberbauung Wasserschöpfi in Zürich, 2004–2011. Bild: H. Henz

«Verschnaufpause»
Vor wenigen Tagen wurde eine weitere Wohnbaustelle in Angriff genommen, es ist die Kolonie IV an der Hohlstrasse, wiederum ein Projekt der Baugenossenschaft der Strassenbahner. Althammer Hochuli hatten den Wettwerb vor einigen Jahren gewonnen, damals war eine Aufstockung der Altbauten geplant gewesen. Die verantwortlichen Genossenschafter entschieden sich inzwischen aber für Ersatzneubauten. Im Unterschied zu den abgeschlossenen Wohnsiedlungen, die generell als frei stehende Volumen auftreten, handelt es sich an der Hohlstrasse um Blockrandbauten – eine schöne Herausforderung, wie Margrit Althammer betont, die in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Städtebau entwickelt wurden, da es sich um ein Gebiet in einer Quartiererhaltungszone handelt. Nachdem im letzten Jahr mehrere parallel laufende Projekte abgeschlossen werden konnten, freuen sich die Architekten, nach einer Verschnaufpause neue Wettbewerbe und Projekte in Angriff zu nehmen.

Wohnsiedlung Entlisberg in Zürich, 2005–2009. Bild: H. Henz

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