Das neue ICH

Jenny Keller
20. September 2012
Bellevue Zürich im Herbst 2012. Bild: jk

Diese Dame prangt halb angezogen mitten am Bellevue. Dass sie zu wenig trägt, stört nicht einmal, da ist man sich bei der heutigen Werbung Schlimmeres gewöhnt. Was aber zum Denken anregt ist die Message des Gerüstplakats. Da steht in authentisch computergenerierter Handschrift: «Der Mittelpunkt des Universums: Ich».

Ein gesundes Selbstbewusstsein in Ehren. Aber in einer Zeit, in der die Gier einzelner ganze Banken lahmlegen kann und in der Werbeagenturen die Frauen um 30 als kaufkräftige und deshalb wertvolle Zielgruppe auch endlich erkannt haben, muss der Egoismus, den man sonst von dickbäuchigen, anzugtragenden Männern kennt, doch nicht auch noch auf diese Zielgruppe übertragen werden.

Was diese Überlegung in diesem Newsletter zu suchen hat? Immerhin handelt es sich um die Verkleidung der Fassade eines zu entstehenden Hauses. Die Richtlinie «Gerüstwerbung» eines Schweizer Kantons hält fest: «Die Gerüstwerbung kann als Sponsoring für den Bau verstanden werden.» Architektur hat immer eine gesellschaftliche Bedeutung. Die Gerüstwerbung somit auch. Und diese ist natürlich harmlos, aber man kann sich ja vorstellen, wer und was sonst alles auf den Gerüsten prangen könnte.

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