Die Leerstelle im Städtebau

Jenny Keller
23. Februar 2012
Im Zentrum befindet sich der Platz aus Wasser. Bild: Projektverfasser

Schweizer gewinnt Städtebauwettbewerb im Königreich Bahrain. Der Kleinstaat im persischen Golf hat einen offenen Ideenwettbewerb ausgeschrieben für die Gestaltung des öffentlichen Platzes Bab al Bahrain in der Hauptstadt Manama. Lukas Lenherr aus Zürich hat die 15'000 Dollar Preisgeld und den ersten Platz vor einem italienischen und einem holländischen Team gewonnen. Die Jury lobt die Einfachheit und die Kraft des Siegerprojekts.

Der Projektbeschrieb ist ein Plädoyer auf die Leerstelle. Lenherr erklärt dort, dass ein Platz dann an Kraft gewinnt, wenn er wirklich leer ist. Sein Platz besteht aus Wasser, zugänglich durch Boote, die man mieten kann. In der Mitte soll eine grosse Wasserfontäne – er schlägt vor, dass diese ein Geschenk der Stadt Genf sein könnte – das Zentrum markieren und als Zeichen des Friedens stehen. Der leere Platz wird belebt durch «Halbinseln», die Nutzungen wie ein Nationalarchiv, ein Parking mit Kino auf dem Dach oder eine Bühne für Musik enthalten sollen. Der ganze Projektbeschrieb findet sich hier.

Die Leerstelle ist ein Begriff der Rezeptionsästhetik (Literaturtheorie), den Wolfgang Iser geprägt hat, um sogenannte Unbestimmtheitsstellen zu benennen, die der Leser oder Rezipient mit seiner eigenen Fantasie implizit füllen kann, ohne dass sie vom Autor vorgegeben wären. Bei einem öffentlichen Platz im arabischen Raum impliziert die Verfasserin Aufstände und Umsturz. Vielleicht hat der Vorschlag von Lenherr gewonnen, weil es schwieriger ist, sich zu Tausenden auf dem Wasser zu versammeln und gegen ein Regime zu protestieren als auf einem Platz aus Teer?

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