Ein neues Buch über Kazuo Shinohara

Susanna Koeberle
7. August 2019
Das «House in White» (1966) ist eine Auseinandersetzung mit der traditionellen japanischen Baukunst. (Foto: Osamu Murai)

Architektur ist Kunst. Das war auch für Kazuo Shinohara so. Der japanische Architekt (1925–2006) studierte zwar ursprünglich Mathematik, fand aber dann den Weg zur Architektur. Er bewegte sich weg von einer rein technischen zu einer eher emotionalen – und im selben Zug auch abstrakten – Annäherung, die schlussendlich von der Mathematik gar nicht so weit entfernt ist. Shinohara fand Schönheit im Chaos und in der Komplexität. Dieses Künstlerische und Radikale ist auch drei ikonischen Häusern aus drei Jahrzehnten und zugleich drei Schaffensphasen des Architekten eigen: dem «House in White» aus 1966, dem «House in Uehara» aus 1976 sowie dem «House in Yokohama» aus 1984. Sie werden in einer neu erschienen Publikation zusammen vorgestellt. Das Buch gibt auch dank der durch die beiden Herausgeber Christian Dehli und Andrea Grolimund nachgezeichneten Pläne einen detaillierten Einblick in die Arbeit des Baukünstlers, der gerade für viele Schweizer Kolleg*innen eine wichtige Referenz war und immer noch ist. Die Unterteilung in vier Phasen, beziehungsweise vier Stile, stammt von Shinohara selber. Sie widerspiegeln bestimmte architektonischen Fragen und Methoden, mit denen sich der Architekt befasste. Er hinterliess nicht nur ein gebautes Werk, sondern publizierte auch einige theoretische Schriften. Dieses stark intellektuelle Verhältnis zur Disziplin schimmert auch bei den im Buch präsentierten Bauten durch.

Im Buch sind auch originale Skizzen des Architekten enthalten, hier eine des «House in Yokohama». (Foto: Seite aus dem Buch)

Während «House in White» eine intensive Auseinandersetzung mit der japanischen Tradition (nachzulesen im wunderbaren Beitrag vom ehemaligen Kollegen und Freund des Architekten, David B. Stewart) darstellt, ist das dem dritten Stil zugeordnete «House in Uehara» in Tokyo wiederum ein Experiment, in dem Shinohara nach neuen Formen des räumlichen Ausdrucks im urbanen Kontext suchte. Diesbezüglich verwendete er den Begriff der «Wildheit», den er dem französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss entlehnte («la pensée sauvage»). Beim dritten im Buch «3 Houses» portraitierten Haus war Kazuo Shinohara selber Bauherr. Leider steht dieses gebaute Manifest nicht mehr. Da das Grundstück später verkauft wurde, musste es abgebrochen werden. Die Fassade aus Aluminium verlieh dem Haus das Aussehen einer Maschine, zugleich hatte es durch seine expressive geometrische Formen etwas von einer extraterrestischen Skulptur. Chaos und Ordnung, Vergangenheit und Zukunft finden im Werk dieses genialen Architekten auf einmalige Weise zusammen. Die sorgfältig gestaltete Publikation führt dies sehr schön vor.

Dieses Foto stammt vom Philosophen Koji Taki. Das Haus liegt im Zentrum von Tokyo. (Foto: Koji Taki)
Kazuo Shinohara: 3 Houses

Kazuo Shinohara: 3 Houses
Christian Dehli, Andrea Grolimund

30 × 37,5 cm
212 Seiten
78 Illustrationen
ISBN 9783037611678
Quart
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