Abenteuerliche Konstruktion

Manuel Pestalozzi
19. Juni 2023
Ein Wald aus Bauspriessen trägt das Parkhaus Jungholz in Zürich-Oerlikon. Der Bau wird zugunsten der Weiterentwicklung ringsum den Bahnhof in absehbarer Zeit verschwinden. (Foto: Manuel Pestalozzi)

«Ist dies das abenteuerlichste Parkhaus in Zürich?», fragte jüngst das Online-Portal Züri Today seine Leserschaft. Während die Parkhäuser der Limmatstadt sonst für ihre chronische Beengtheit und die mitunter schwindelerregenden Preise gescholten werden, sorgt das Exemplar in Oerlikon aus einem anderen Grund für Aufsehen: Ein Wald von Bauspriessen stützt die Parkdecks. Dank ihres grüngelben Anstrichs wirken sie fast wie eine Kunstinstallation. Doch der Hintergrund ist ernst: Tatsächlich sind die zusätzlichen Stützen in dem Bau unweit des Bahnhofs aus statischen Gründen eingezogen worden. Ein Statiker überprüft den Zustand des unorthodoxen Tragwerks regelmässig, und die Anzahl der Parkplätze wurde reduziert, um die Belastung zu verringern.

Im Masterplan Neu-Oerlikon aus dem Jahr 2018 ist am Nordrand des Max-Frisch-Platzes ein Hochhaus vorgesehen. (Isometrie: PD)

Das skurril bis beängstigend anmutende Bauwerk war einst eingebettet in das Industrieareal der ABB, dem früher beim Bahnhof eine Berufsschule vorgelagert war, die die Sicht auf das Parkhaus teilweise verstellte. Sein westlicher Nachbar ist das 1982 fertiggestellte Ausbildungszentrum BBC des Architekten Jacques Schader (1917–2007), das von der Stadt Zürich mit ihrer bekannten Auszeichnung für gute Bauten gewürdigt wurde. 

Noch heute gehört das Parkhaus der ABB. Wie lange es in seinem jetzigen Zustand noch bestehen bleibt, ist unklar. Doch laut Eigentümerschaft steht der Abriss in Bälde an: Im Masterplan Neu-Oerlikon aus dem Jahr 2018 ist am Nordrand des Max-Frisch-Platzes, wo sich das bemerkenswerte Bauwerk befindet, ein Hochhaus vorgesehen. Trotzdem bleibt wohl noch etwas Zeit, um das Parkhaus in Augenschein zu nehmen. Natürlich gibt es weltweit noch weitaus ungewöhnlichere Parkhäuser – man denke nur an das berühmte Michigan Theatre in Detroit, das in einem einstigen Filmtheater eingerichtet ist. Doch wer würde ausgerechnet in der Schweiz ein solch «gebasteltes» Provisorium erwarten?

Die statisch notwendigen Hilfsvorrichtungen haben eine suggestive Wirkung, die durch ihre Farbgebung noch gesteigert wird. (Foto: Manuel Pestalozzi)

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