Hartholz in Baku – Zaha Hadid ist 65

Manuel Pestalozzi
30. Oktober 2015
Bild: Hélène Binet über www.americanhardwood.org

Seit Jahrzehnten prägt Zaha Hadid das Image der Architektur und des Berufsstandes mit. Die Frau mit Wurzeln im Orient hat ein Werk geschaffen, das eigenständig ist, oft auch auffällig, gelegentlich sogar schrill. Das lässt niemanden kalt, zumal zahlreiche realisierte Projekte von ihr auf verschiedenen Kontinenten wichtige öffentliche Räume mitformen.
 
Der runde Geburtstag gab beim deutschen Webpublisher von Baunetz Anlass zu zwei Publikationen, die Zaha Hadid huldigen. Das Magazine No. 37 von uncube tut dies auf Englisch, die Baunetzwoche #429 auf Deutsch. Bei der englischen Version kommen aktuelle und vergangene prominente Mitstreiter wie Bernard Tschumi zu Wort und auch fachfremde Prominente wie die Pet Shop Boys. Die Baunetzwoche beschränkt sich auf das Interview.
 
Wenn man den Inhalt dieser Webpublikationen überfliegt, kommt man zum Schluss, dass es vor allem um die Zementierung des vorhandenen Mythos rund um die Person und ihre Verortung in einem globalen Kontext geht. Die Gratulationspost erinnert daran, dass die Stararchitektur da und dort ihre Werke hinterlässt und sich beim internationalen Branding-Wettbewerb von Orten aktiv beteiligt. Es ist eine Architektur für alle – die sie sich leisten können. Sie steht für sich und ist völlig unpolitisch. Entweder sie gefällt, oder auch nicht. Wer sie besitzt, kann mit ihr letztlich machen machen, was er oder sie will.
 
Diese politische Beliebigkeit ist nichts Neues. Architektinnen und Architekten wollen vor allem eines: bauen, egal für wen. Dass gute oder bemerkenswerte Resultate sich für dies und jenes instrumentalisieren lassen, beeinträchtigt ihren Qualitätsanspruch nicht unbedingt. Leider ist es so, dass zwischen der globalen Spitzenarchitektur und der offenen, pluralistischen und demokratischen Gesellschaftsordnung keine besonders engen Bande bestehen.
 
Unter welchen Umständen auch immer gross und prunkvoll gebaut wird, viele können sich an den Projekten beteiligen und ihre Existenz sichern. Eine Mitteilung, die pünktlich zum Geburtstag von Zaha Hadid auf dieser Redaktion eintraf, kam vom American Hardwood Export Council (AHEC). Er hatte nicht das Jubiläum zum Thema sondern Zaha Hadids Heydar Aliyev Center in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, fertiggestellt im Jahr 2012.
 
Das Auditorium des Kulturzentrums an den Gestaden des Kaspischen Meers schmücken nämlich elegant geschwungene Formen aus amerikanischer Weisseiche. Ein türkisches Unternehmen bearbeitete die geschlagenen Bäume aus dem Neuen Kontinent, insgesamt 230 Kubikmeter, mit CNC-Maschinen millimetergenau. Und der Saal sieht, wie die Foto von Hélène Binet zeigt, wirklich auch anmutig und prächtig aus.
 
Trotzdem bleibt einem die Freude über die erfolgreiche grenzübergreifende Zusammenarbeit bei diesem Projekt etwas im Halse stecken. Wenn man die Biographie des Namensgebers des Centers auf de.wikipedia.org liest, fragt man sich, weshalb eine Stararchitektin kein Problem darin sieht, sich mit einer derartigen Person assoziieren zu lassen. Möglicherweise denkt sie, dass Architektur manche Dynastien überleben kann und, wie schon angemerkt, für sich selbst spricht. Wer kleinlich in etwas kürzeren Zeiträumen denkt, sieht eben doch auch Propaganda für eine neue Tyrannei. Sie erweist der Freiheit keinen Dienst.

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