Moralisch nicht ganz einwandfreie Architektur

Jenny Keller
18. Mai 2015
Ausschnitt aus «Corbusierhaus Berlin C». Bild: Manfred Brückels über Wikimedia Commons

Anlässlich seines 50. Todestages wird Le Corbusier in Frankreich gefeiert und «gleichzeitig fegt durch die Feuilletons ein Sturm der Empörung über die regelmässigen Flirts von Charles-Edouard Jeanneret, genannt Le Corbusier, mit faschistischem Gedankengut und totalitären Herrschern wie Stalin, Mussolini oder Hitler», schreibt die NZZ am Sonntag im Kulturteil unter dem Titel «Streit um einen Säulenheiligen». Und fragt weiter: «Doch darf man die ästhetischen Visionen eines Jahrhundert-Baumeisters feiern, ohne an seine politischen Fehltritte zu erinnern?» Die Antwort laute Nein – und Ja. Dafür wird die Zeitung La Libération zum einen und Le Monde zum anderen erwähnt. In letzterer schreibt der Architekt Paul Chemetov, es sei längst bekannt, dass Le Corbusier Opportunist und Egomane gewesen sei. «Und dass er um (fast) jeden Preis bauen wollte, das sei nun einmal die Berufskrankheit des Architekten.», fasst die NZZ am Sonntag Chemetovs Aussagen zusammen. Um dann versöhnlich mit der Berufsgattung zu schliessen: «Der nicht gerade Charme versprühende, lehrmeisterliche Le Corbusier predigte autoritären, radikalen Urbanismus, meist, ohne erhört zu werden. Zumindest liess er in Brasilien jedoch nach seinem Aufenthalt 1936 einige sehr viel weniger doktrinäre Schüler zurück. Etwa Oscar Niemeyer und Lúcio Costa, die später mit Brasilia den ihm verwehrten Traum einer Reissbrettstadt umsetzen durften. Und ästhetisch, aber bestimmt nicht ideologisch einiges von ihm gelernt hatten.»


Um sich eine eigene Meinung zu bilden, lese man diese zwei unterschiedlichen Bücher, die dieses Jahr in Frankreich erschienen sind:

François Chaslin, Un Corbusier, 2015, Verlag Seuil

Xavier de Jarcy, Le Corbusier – un fascisme français, Verlag Albin Michel

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