Rendez-vous in der Space Suite

Manuel Pestalozzi
2. Oktober 2015
Fotokünstler Michael Najjar erläutert sein Konzept. Bilder: Manuel Pestalozzi

Der Begriff Kameha kommt von der Insel, auf der man mit Aloha grüsst. Er bezeichnet den Einzigartigen. Er gibt auch der Hotel- und Gastronomie-Marke ihren Namen, mit der die LH&E Group verschiedene Etablissements in mehreren Ländern betreibt, unter anderem auch das Kameha Grand an der Mündung der Dufauxstrasse in die Thurgauerstrasse. Das ausserhalb der traditionellen Klassierung positionierte Hotel steht im neuen, airportnahen Quartier Glattpark, das die Vorortgemeinde Opfikon mit Zürichs Stadtgebiet verbindet. Es wurde im vergangenen März eröffnet.
 
Das Hotel will seinen Gästen ein Erlebnis bieten. Die Fassade deutet mit ihren ornamentalen, gesimsartigen Aluminiumbändern zwar Ungewöhnlichkeit an, das U-förmige Volumen passt sich aber brav und diskret in das gleichförmige, orthogonale Bebauungsmuster des Glattparks ein. Das Innere zeichnet sich aus durch einen internationalen, da und dort ethnisch angehauchten, global verträglichen Chic. Mit verschiedenen Restaurants, einem Spa, Sporteinrichtungen und Themenräumen bietet es eine Vielzahl an Sinnesreizen. In Erinnerung bleiben wird das Hotel seinen Gästen wohl nicht wegen seinem äusseren Erscheinungsbild oder dem Bezug zur Umgebung sondern durch die Welt, die sich im Inneren darbietet. In diesem Sinne kann man das Konzept mit einem Preziosenkabinett vergleichen.

Die Space Suite ist die Krönung dieses Konzeptes. Ihre Gestaltung wurde nicht einer Fachkraft aus dem Bereich Innenarchitektur oder Design überantwortet sondern einem Künstler, der eine begehbare Installation konzeptionierte. Michael Najjar ist ein Fotokünstler, der sich nicht nur intensiv mit der Raumfahrt befasst, sondern sich aktiv darauf vorbereitet, mit dem Raumschiff von Sir Richard Branson ins All geschossen zu werden. Das Ticket bei Virgin Galactic ist gebucht, das vorgängige Training dient als Inspirationsquelle für das künstlerische Schaffen. Dieses ist nun im Glattpark erlebbar.
 
Gäste werden zur Besatzung; es gibt ein entsprechendes Eincheck-Ritual, das auf die Loslösung aus dem Gravitationsfeld der Erde vorbereitet. Beim Betreten erfolgt eine kleine Begrüssungszeremonie durch Lautsprecher. Die Suite wird durch einen zentralen Körper mit dem Bad, einer grossen Ankleide und einer kleinen Bar in zwei Raumteile gegliedert. Die Lounge ist fensterlos, das Bild eines lebensgrossen Astronauten hängt gegenüber einer Videoarbeit. Untermalt von sonoren Geräuschen, zeichnet sie im Zeitraffer und abstrahiert die Vermehrung des Raumschrotts nach, der um die gute alte Mutter Erde kreist. Silbrig glänzendes Raketenmobiliar steht auf einem Spannteppich, in den das Negativ einer Galaxie eingearbeitet ist. Das exakt gespiegelte Sternenbild zeigt der Spannteppich an der Decke. Die Umkehrung des hell-dunkel Effektes begründet Michael Najjar mit dem Wunsch, den Zustand des Alls vor dem aktuellen Himmelstreiben wiederzugeben. Absoluter kann man den Wunsch nach Zeitlosigkeit wohl kaum formulieren.

Doch grundsätzlich orientiert sich die Suite an der Tradition – jener der Raumfahrt und der Kunsterzeugnisse, die in den vergangenen Jahrzehnten aus der Auseinandersetzung mit ihr entstanden sind. Normales Fernsehen gibt es in der Space Suite nicht, der grosse Bildschirm bietet dafür Zugang zum NASA-Kanal und einer Auswahl von Spielfilmen, welche die Raumfahrt zum Thema haben. Die schwarze Bettwäsche im Schlafzimmerteil soll an den Monolithen in Stanley Kubricks Space Odyssey erinnern, im Gestell des Kopfteils liegt ausgewählte Literatur zum Thema, auf dem Nachttisch ein drahtloses Telefon, auf dem Hörbücher mit Geschichten aus dem All gespeichert sind. Die Fenster des Schlafteils sind nicht durchsichtig und mit Texten bedruckt, welche HAL 9000 zitieren, den melancholischen Computer aus der bereits erwähnten Odyssey.
 
Die Space Suite bietet einen prägnanten eigenen Kontext, der den Standort der Suite analog zur echten extraterrestren Raumeinheit weitgehend ausblendet. Der Beitrag von Michael Najjar, der weitgehend auf die Verwendung von Farbe verzichtet, ist stimmig, ausgewogen und von ästhetischem Wert. Er lässt die Absicht erkennen, Raumfahrt als künstlerische Inspiration zu würdigen. Leider wirkt vieles zu sehr als Zitat, das den Raum zwar ansprechend ausstaffiert und dekoriert, ihn aber nicht „macht“. Der Gast trifft grundsätzlich auf eine konventionelle Hotelsuite mit Extras. Sie ist mehr ein kleines, themenbezogenes Kunstmuseum denn eine Installation. Für die Übernachtung muss ein stattlicher Preis bezahlt werden, und zu gerne würde man wissen, wer die Gäste sind und was sie der Welt danach zu erzählen haben.

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