Tag der Architekturfotografie

Juho Nyberg
26. Mai 2011
Architekturfotografie

In welchem Umfeld bewegt sich heute ein Architekturfotograf? Welchen Ansprüchen hat er zu genügen – jenen des Auftraggebers, den eigenen? Oft kommen Architekten mit spezifischen Wünschen, sei es zu bestimmten Blickpunkten oder -winkeln, sei es mit Vorgaben, was alles im Gebäude auf das Bild muss. Dieses Vorwissen verunmöglicht aber einen unvoreingenommenen Blick auf das Bauwerk und macht den Fotografen zum Illustrator der Vorstellung des Architekten über sein eigenes Werk, der Fotograf wird zum Dienstleister. Dabei, so Domnique Marc Wehrli, kennt ein Architekturfotograf weit mehr Gebäude als ein Architekt, hat somit ein grösseres Repertoire abrufbereit. Natürlich ist auch hier eine Art Vorwissen im Spiel, aber eben eines, das sich nicht direkt auf das Werk und die Absichten des Architekten bezieht, sondern einen grösseren Bogen zu schlagen vermag. Das Interesse am Bild selbst ist die Grundlage der Arbeit des Fotografen, nicht so sehr die Suche danach, was «hinter» der Architektur steckt, auch wenn das der Fotograf oft genug in den vorgängigen Briefings erfährt.

Portfoliogespräch: Børje Müller mit Axel Simon von Hochparterre.  

Im Rückblick auf seine langjährige Erfahrung als Redaktor hält Wilfried Dechau fest, dass die Aufträge heute fast ausschliesslich von den Architekten an die Fotografen gegeben werden, während früher sich auch Redaktionen direkt um Bilder bemüht haben. Die Verknappung der redaktionellen Ressourcen ist allenthalben zu beobachten, führt aber in diesem speziellen Bereich dazu, dass häufig die Sichtweise des Architekten dargestellt wird und dadurch ein hinterfragender, eventuell sogar kritischer Umgang sich schon gar nicht zu entwickeln vermag.

Gespräch mit Architekturfotograf Ralph Feiner. 

Darin steckt zweifellos Konfliktpotential zwischen dem Architekten als Künstler und dem Fotografen als ebensolchen. Geht es dem einen darum, dass gute Architektur abgebildet wird – nämlich seine –, geht es dem anderen wohl im Innersten darum, Architektur gut abzubilden. Dass diese beiden Ansprüche sich oft vermengen in unseren Köpfen, lässt sich auch daran erkennen, dass die Qualität der Architekturfotografie häufig mit der Qualität der fotografierten Architektur gleichgesetzt wird, respektive, dass das fotografische Dokumentieren eines Bauwerks es gleich als gute Architektur ausweist. Nicht alle Zuhörer teilen die Meinung Wilfried Dechaus, dass auch mit schlechter Architektur als Sujet gute Fotografie gelingt. Oder ist es bloss keine Architekturfotografie mehr?

Redaktoren Axel Simon und Wilfried Dechau. 
Architektur­kritiker Benno Loderer. 
Architekturfotografen Dominique Marc Wehrli, Hannes Henz und Jürg Zimmermann. 
Was zeichnet Architekturfotografie aus

Wo lässt sich also die Linie ziehen, die explizite Architekturfotografie von anderer bildhafter Dokumentation von Bauwerken abgrenzt und wie würde letztere korrekt benannt werden? Dominique Marc Wehrli sieht die Architekturfotografie in einem Korsett von Ansprüchen und Konventionen, die sich aber in einer Art Selbstabsprache innerhalb des Zirkels der Beteiligten entwickelt hat. Dazu gehört zunächst der Anspruch der Erkennbarkeit der Architektur. So ist das abgebildete Gebäude einerseits Repräsentant des Architekten, andererseits vermittelt es auch einem laienhaften Betrachter Sicherheit – hinsichtlich der Einordnung in einen ästhetischen Kanon und damit auch bezüglich der geschmacklichen Qualität des Werkes. Ein weiteres Merkmal typischer Architekturfotografie ist die Leere der Räume. Nichts soll das Raumgefühl stören, weder Möbel noch Mensch. Analog dazu werden Aussenansichten am liebsten auch kontextfrei dargestellt. Dass zumindest heute Bauen ohne Kontext in der Schweiz wohl kaum mehr möglich ist, findet überraschenderweise keinen Eingang in die Diskussionen.

Podiumsdiskussion mit Joseph Smolenicky, Andrea Helbling, Martino Stierli, Meret Ernst (Moderation) und David Signer. 
Meret Ernst von Hochparterre mit Romano Zerbini, Produzent und Organisator ewz.selection/Swiss Photo Award. 

Die Darstellung von Menschen in einem Wohnraum scheint ein eindeutiges Abgrenzungsmerkmal zu sein zwischen Architekturfotografie und anderer, versuchsweise Reportagefotografie genannter Arbeiten. Im abendlichen Podiumsgespräch kommt der Ethnologe David Signer auf die auffällige Abwesenheit von Menschen in den Bildern zu sprechen und bezeichnet den offensichtlichen Wunsch der Architekten nach solchen Abbildungen als eine eigenartig metaphysische – durch die Abwesenheit des Physischen – Vorstellung. Offenbar sind Menschen ziemlich unberechenbare Wesen und damit ein unkalkulierbares Risiko für das Gelingen eines Bildes. Wären sie auf Bildern, müsste man sie inszenieren und richtig in Szene setzen. Wenn es um Architektur geht, könne man schon auf sie verzichten. Verzichten vielleicht im Gegenzug viele Menschen auf Architektur oder Darstellung derselben, weil ihre Anwesenheit als störend empfunden wird?

Andere Bereiche der Fotografie trumpfen mit deutlich mehr Ironie und Kreativität auf. So wird zum Beispiel in der Modefotografie ständig mit Menschen gearbeitet, ja bisweilen sogar mit Tieren, wie die schöne und lustige Bilderstrecke von Armin Zogbaum zeigt. Vielleicht liesse sich die Architektur einem breiteren Publikum zugänglich machen, wenn dieses selbst sich in den Räumen und Bildern wiederfinden könnte.

Weitere Fotos gibts hier zu sehen.

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